Meine acht Glücks-Tipps zum Chinesisch-Lernen

Wir sollten der Wahrheit ins Auge blicken. Uns Deutschen fehlen sprachkundige Vermittler. Chinas wirtschaftlicher Aufschwung wird zwar begleitet von einer medialen Aufmerksamkeit sondergleichen. Die deutsche Industrie befindet sich in weiten Teilen gar in einem nahezu entrückten Zustand, einem wahren China-Rausch. Sprachlich und kulturell jedoch hat sich bisher kaum etwas bewegt. Die Chinesen sind heute mit Abstand die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland. Die Zahl der deutschen Studenten, die in China eine Universität besuchen, steigt zwar, aber die Aufenthalte sind meist relativ kurz und die Studenten sind so gut wie nie ins reguläre Studium integriert.

 

Aber nicht nur die Studentenzahlen sprechen eine eindeutige Sprache der Sprachlosigkeit. Das Sprachdefizit ist vielerorts spürbar. Viele Journalisten, die sich professionell mit China beschäftigen, können keine chinesischsprachige Tageszeitung lesen, geschweige denn einer Internetdiskussion folgen. Auch der weitaus größte Teil der Entsandten, die bei Siemens, VW oder der deutschen Botschaft arbeiten, kommt in fünf und mehr Jahren über das Anfängerniveau nicht hinaus. Und auch nicht alle Sinologen sind nach dem Studium in der Lage, sich in China auch zu komplexeren Themen verständlich zu äußern.

Natürlich hat das vielfältige Gründe. Man hat viel zu lange an einer Orchideen-Sinologie festgehalten hat, die Langzeichen, Tang-Gedichte und Konfuzius-Interpretationen wichtiger fand als modernen, kommunikativen Sprachunterricht. „Chinesisch als Frendsprache“ ist eine Disziplin, die noch immer in den Kinderschuhen steckt – in Deutschland und auch in China selbst. China ist im Bereich Didaktik in weiten Teilen ein Entwicklungsland und nur langsam werden moderne linguistische Erkenntnisse für den Sprachunterricht nutzbar gemacht. Wer einmal einen Sprachkurs an einer chinesischen Universität besucht hat, wird mir wahrscheinlich zustimmen, dass die didaktische Methodik oft dem Lateinunterricht in den 50er-Jahren ähnelt. Ein weiteres großes Problem sind kulturelle Barrieren, die die Integration in die chinesische Gesellschaft und den persönlichen Kontakt mit Chinesen erschweren können. Der wichtigste Grund liegt jedoch auf der Hand: Chinesisch ist verdammt schwer.

Chinesisch zu lernen kostet eine Menge Zeit und man muss bereit sein, einige Mühen auf sich zu nehmen. Sprachlernsysteme wie „Rosetta Stone“ mögen suggerieren, dass man jede Sprache auf ganz natürliche Weise lernen kann, aber das Zeichen-Pauken wird auch Frau Stone einem Lernenden nicht abnehmen können. Sicherlich sollte man mit Spaß bei der Sache sein, aber die typischen Schwierigkeiten bei der Beherrschung von Zeichen und Tönen überwindet man unter anderem durch relativ passives, tausendfaches Wiederholen. Die Anwendungsbedingungen dieser Zeichen hingegen erschließen sich effizient oft erst in konkreten kommunkiativen Situationen.

Ich habe vor einiger Zeit den neu-konzipierten HSK-Test der Stufe 5 mit 249 von 300 Punkten (Hörverständnis 99 von 100) bestanden. Das macht mich sicher noch nicht zu einem zweiten Da Shan, aber es ist immerhin die zweithöchste Stufe dieses landesweiten, staatlichen Tests, der ansatzweise mit dem amerikanischen TOEFL und dem deutschen TestDaf vergleichbar ist. Weil acht bekanntlich die chinesische Glückszahl ist, hier nun meine acht hoffentlich glücks- und erfolgsbringenden Tipps für den Lernerfolg:

1. Tipp
Beschäftigen Sie sich von Anfang an intensiv mit den Zeichen. Ich halte den Weg, den einige renommierte deutsche Lehrinstitute gehen, Chinesisch anfangs auf der Grundlage von Pinyin zu lernen, für eine Abkürzung, die sehr schnell in einer Sackgasse enden kann. Chinesisch beruht auf Zeichen, Chinesen denken in Zeichen und Pinyin ist nur ein Hilfsmittel. Wenn Sie Chinesisch nicht nur für den Urlaubsgebrauch lernen wollen, müssen Sie die Zeichen lernen. Je früher, desto besser.

2. Tipp
Versuchen Sie die Grundlagen der Zusammensetzung der Zeichen zu verstehen. Machen Sie sich damit vertraut, wie diese komischen Dinger funktionieren. Lernen Sie die Radikale und die Strichreihenfolge. Sehr gute geeignet für Anfäger ist dieses Lehrwerk. Der grundlegende Zeichenaufbau wird sehr gut erklärt und zudem gehört die phonetische Einführung zu dem Besten, was mir bisher begegnet ist: „Chinesisch multimedial. Der CD-ROM-Sprachkurs für Einsteiger

3. Tipp
Schreiben Sie die Zeichen. Ganze Texte aber vor allem auch einzelne Zeichen. Immer wieder. Durch die Bewegungen der Hand verinnerlichen Sie die Konstruktion des Zeichens. Achten Sie mal darauf, wie oft Chinesen in der Luft oder auf dem Tisch mit dem Finger Zeichen malen, um sich diese zu vergegenwärtigen. Auch Chinesen lernen die Zeichen vor allem durch Wiederholung. Das Ergebnis vielfach wiederholten Schreibens ist, dass nicht nur der visuelle Eindruck, sondern auch die motorischen Abläufe der Hand gespeichert werden und das Zeichen besser memoriert wird.

4. Tipp
Nutzen Sie moderne Technik. Wenn Sie die Komposition der Zeichen und die Strichreihenfolge verstanden haben, besorgen Sie sich ein Handy mit Strich- oder Handschriften-Eingabe. Früher war es durch die komplizierte Methodik, ein Zeichen in einem herkömmlichen Wörterbuch nachzuschlagen, unglaublich zeitaufwändig, ein unbekanntes Zeichen zu identifizieren und zu übersetzen. Heute machen einem IPhone und Konsorten das Leben deutlich leichter. Mein persönlicher Geheimtipp: Lernen Sie Wubihua. Mit dieser selbst unter Chinesen eher ungebräuchliche Eingabemethode finde ich jedes noch so komplizierte Zeichen in weniger als zehn Sekunden. Ein weiteres nahezu unverzichtbares Tool ist Wenlin. Diese Software erlaubt es, ganze Texte dort hineinzukopieren und die Übersetzung der Zeichen und Zeichenkombinationen ins Englische nur durch das Herüberfahren mit der Maus anzuzeigen. Über ähnliche Funktionen verfügen zwar inzwischen auch einige Smartphone-Apps, aber Wenlin ist in Bezug auf Umfang und Genauigkeit des Wortschatzes unschlagbar. Selbst Chinesen staunen darüber, wie viele seltene Chengyu (idiomatische 4-Wort-Redewendungen) Wenlin erkennt und korrekt übersetzt. Faszinierend ist allerdings auch die Chinesisch-App von Pleco. Das geht schon ein wenig in Richtung „Raumschiff Enterprise“

5. Tipp
Machen Sie viele Hörübungen. Hörverständnis ist der entscheidende Schlüssel zur Sprache. Nutzen Sie das Internet und die vielfältigen Möglichkeiten, sich durch natürlichsprachige Dialoge mit den fremden Klängen vertraut zu machen. Auf Deutsch gibt es solche Angebote meines Wissens bisher nicht, aber im englischsprachigen Bereich wird man schnell fündig. Chinesepod.com ist der ungeschlagene Champion. Leider sind die meisten Dialoge seit einigen Jahren kostenpflichtig, aber vielleicht finden Sie ja jemanden, der ältere Folgen heruntergeladen hat, als sie noch kostenlos waren. Es gibt inzwischen weit über tausend Chinesepod-Dialoge für alle Lernerstufen. Mit Popupchinese.com hat sich ein ehemaliges Mitglied von Chinesepod selbsständig gemacht und füllt die Lücke, die Chinesepod auf dem No-Budget-Markt hinterlassen hat. Ich persönlich ziehe das Original mit der zauberhaften Jenny Zhu weiterhin vor. Ah, diese Stimme!

6. Tipp
Sprechen Sie. Sprechen Sie die Dialoge nach. Werden Sie ein Papagei! Suchen Sie sich einen chinesischen Tandempartner und quatschen Sie drauf los, was das Zeug hält. Aus Fehlern wird man klug und die lustigsten und peinlichsten Pannen vergisst man nie. Auch ich habe anfangs geglaubt, dass die Töne nicht immer so wichtig sind. Heute weiß ich, dass gerade die richtigen Töne für das Verständnis grundlegend sind. Üben Sie daher die Töne. Und gerade wenn man richtig daneben liegt, ist der Lerneffekt am größten. Ich werde wohl nie mehr vergessen, dass man das chinesische Wort für Hase im vierten Ton ausspricht. Gleich in der ersten Woche wollte ich mein Gegenüber informieren, welchem chinesischen Tierkreiszeichen ich angehöre. Wegen meiner falschen Töne sagte ich: „Ich bin ein Glatzkopf“. Das Lachen klingt noch heute in meinen Ohren.

Wir amüsieren uns uns oft über das urkomische „Chinglish“ oder das „Deunesisch“ der Chinesen. Aber diese Lernersprache ist der Weg zum Erfolg. Es mag einem erfolgreichen und angesehenen Manager nicht gefallen, plötzlich zu klingen, wie ein Dreijähriger, der sich mit seinem Freund in der Sandkiste unterhält. Aber es ist unvermeidlich und der einzige Weg.

7. Tipp
Machen Sie das, was Ihnen Spaß macht. Jeder hat andere Interessen. Finden Sie Ihren eigenen Weg zur Sprache. Jemand, der gern Popmusik hört, sollte sich mit den Texten der chinesischen Bands beschäftigen. Filme, Kalligraphie, Tee, chinesische Neujahrsbilder, egal was es ist – versuchen Sie ihre Interessen mit der Sprache zu kombinieren. Ich selbst lese seit ganz gern Comics. Seit einiger Zeit lese ich Tim & Struppi allerdings nur noch auf Chinesisch.

8. Tipp
An einem längeren China-Aufenthalt oder einem strukturierten Sprachkurs führt eigentlich kaum ein Weg vorbei. Wer es sich leisten kann, sollte Privatstunden nehmen, aber auch im Klassenverband macht man schneller Fortschritte als im stillen Kämmerlein. In China gibt es viele Sprachschulen, die guten Gruppen-Unterricht teilweise schon für 50 RMB in der Stunde anbieten. Es muss also nicht einmal teuer sein.

Chen Guangcheng richtet sich per Youtube an Wen Jiabao

„I am extremely anxious, and I require netizens’ more attention on my family’s security.“

Der blinde Rechtsanwalt Chen Guangcheng, der sich als sogenannter „Barfuß-Anwalt“ unter anderem für die Rechte der Behinderten, für Bürgerbegehren und gegen erzwungene Abtreibungen eingesetzt hatte, ist laut Medienangaben aus dem polizeilichen Hausarrest geflohen.

Zuvor war Chen Guangcheng zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen „Mutwilliger Zerstörung von Eigentum und Verkehrsbehinderung“ verurteilt worden, die er von 2006 bis 2010 absaß.

In einem Video, das zu Youtube hochgeladen wurde, richtet Chen Guangcheng, dessen derzeitiger Aufenthaltsort nicht sicher ist, eine Videobotschaft direkt an Wen Jiabao. Darin erhebt er schwere Vorwürfe gegen chinesische Behörden. Er legt ausführlich und unter Nennung der Namen der beschuldigten Personen dar, dass er und seine Familie von Behördenmitarbeitern misshandelt wurden. Er fordert eine rechtmäßige Untersuchung der Gewalt gegen ihn und seine Familie, den Schutz seiner Verwandten und die Untersuchung der Rolle der Korruption in diesem Fall. (Quelle: shanghaiist.com)

Das Video in voller Länge

Die von Shanghaiist veröffentlichte ins Englische übersetzte, schriftliche Fassung des Videos:

Dear Premier Wen:

It was so hard for me to escape. All those rumors online and the accusations against Lin Yi’s violence on me, now I am here to prove that everything was true. And the fact can be only more terrible than what’s circulating online.

Premier Wen, I now formally make the following 3 proposals

1. SEVERELY PUNISH CRIMINALS IN ACCORDANCE WITH LAW:

Firstly, on my issue, you should inquire the matter yourself and dispatch investigative groups for thorough investigation and truth. Some 70 to 80 officials, none of whom were wearing uniforms, beat my family without any legal approvals and forbid my family from seeking medical assistance despite injuries.

You should initiate a thorough investigation on who issued the order and deal with it according to law to law since it was so inhumane and tainted our Party’s image. They invaded our home. More than a dozen men covered my wife’s face with quilt and beat her for several hours. To me, they did the same.

Zhang Jian… we know a lot of people from in the county police, He Yong, Zhang Shengdong, like Li Xianli, who beat my wife serveral times, Li Xianqiang, Gao Xinjian and a man surnamed Xue should be taken seriously. As the one who experienced this, I make the following accusations on these people:

They intruded my house and beat me. During that period, for example, Zhang Jian, the deputy county party chief in charge of law enforcement, boasted that they could defy the law and regulations and could do anything without legal procedures.

They robbed my house and beat my family multiple times. Li Xianli, leading some 20 men, imposed illegal dention on me for a long time. He was the leader of the 1st team [which was in charge of my detention], and beat my wife. Once he chased my wife, pulled her off the cart and beat her. He also beat my mother. He was extremely vicious.

Li Xianqiang, he knocked my wife down to the ground on 18th last year. He is said to be the a clerck or chief of our county’s judicial office. He hurt my wife’s left arm severly.

At the gate of my village, the one who beat Bale, in my knowlege was Zhang Shenhe, a government clerk, or the „army uniform“ called by netizens. He hurled stones to CNN last Feburary. I am sure with no mistake.

I have also learnt some netizens were beaten by female guards. I did not know any female guard was hired. I now know that most of these female mobs are directors of womens‘ offices of different villages, and some were village chiefs’relatives.

Gao Xinjian and other unknown people, whom I know were from the police, although they didn’t wear any uniforms or have any legal procedures, dared to say „We are not police now, and we are assigned by and work for the Party.“

I don’t believe so. They at most worked for an illegal official within the Party.

According to various information sources, besides 8 officials from township or the village in every team, each team also hire some 20 people at least. There are 3 teams and there are in total 70-80 people.
When last year netizens were paying attention to me, they hired hundres of people at peak. They totally blocked our village. Generally, they regarded our house as centre. Then they deployed a team in our house, and another outside our house. The team outside were deployed on the four corners of my house and nearby roads. Then, they deployed people in all roads from my house until the village border, and in some even situations, they deployed people in the near-by village.

On the bridge of a nearby village, there were 7-8 people sitting. Then these illegal officials abused their power and ordered nearby villages‘ officials to join them. They also hired cars to patrol, reaching as far as 5 kilometers out of my village or even more.

They deployed 7-8 layers of tight guard like this and numbered every road into the village. They numbered as many as 28 so they could better allocate their duties. Such was done to the whole village.
They deployed guards everywhere and regarded anyone as their enemy.
To my knowledge, around 90 to 100 county police, armed police and government officials from the county and township joined the crackdown against me. They have persecuted me illegall this way for several times, and I demand a thorough investigation on him.

2 SAFEGUARD FAMILY MEMBERS’S SAFETY ACCORDING TO LAW

Although I am free, my worries come as well. Because my family, mother, wife and son are still under their hands. They have been persecuted for long and may be suffering even more due to authorities‘ revenge, which may be even more outrageous.

My wife’s orbital bone was also broken, you could feel it. Her waist was beaten at home, with her faces covered by a quilt. Now, you could stil feel obvious protuberance on her 5th lumbar vertebra and her sacrum. Her 10, 12th ribs also had feelable protuberance. Maybe there was a misdiagnose as well. And after the injury, she was inhumanely forbidden to seek medical help.

My old mother was seized by the arm and pushed to the ground by a party member on her birthday. Her faces faced the sky, and her head struck the door of the east room. She burst into tears. She accused that the beaters could beat her simply because they were young. They shamelessly replied, „we are young and we could beat you, but you simply couldn’t defeat us!“

How shameless, how inhumane, and how sinful!

Also my son who is still under 10 years old. He was followed by 3 every day and searched through all over with every page of his book checked. He was forbidden to move at school and, when he returned home, he was confined to the house and never allowed to step out of the gate.
My whole family’s situation has been cut off electricty since last year’s Jul 29, and it was not restored until December 14. Since last February, my mother has been forbidden from buyinig vegetables outside, making my family in extreme difficulty.

I am extremely anxious, and I require netizens‘ more attention on my family’s security. I also require Chinese government to ensure my family’s safety for the sake of the dignity of law and people’s benefits. Otherwise, their safety has no guarantee. If there is anything wrong with my family, I will keep on fighting.

3 PUNISH CORRUPTION ACCORDING TO LAW

Some may ask why this matter cannot be resolved even though it has lasted for several years? Now, I tell you, local decision makers or executive officials never want to resolve this issue.

Decision makers are afraid their crime to be exposed so they don’t want it to be resolved. To executive officials, there is a lot of corruption.
When they were persecuting me last August in a Cultural Revolution style, they said, „you say in the video that we spent over 30 millions? Don’t you know that it was the number in 2008, and now we had spent even more than two 30 millions? You know that? And we don’t include the money used to briber officials in Beijing. If you are capable, keep on saying. “

Some others say, „What tiny amount of money we have! The largest parts have been taken by others already!“

It is a good chance for them to make a wealth. As for as I am concerned, the village spent 100 per person for teams to hire people. However, team leaders hire each person 90 yuan per day and keep the rest 10 to himself.

The daily wage in my place is only around 50 to 60 yuan and working here does not require much labor and is paid better with all three meals free. So men that are hired are very willing to work.

Each team leader hires some 20 people, and they can earn more than 200 a day. What a corruption.

Also, I learnt that in my dention, those who are with my wife plant vegetables in my family’s land and they eat their own vegetables. They grow and sell their vegetables and earn profits. People all know it, but nothing has been done with them.

I learnt that „stability maintainance fund“ could be allocated in millions at one time from the county level to the village and township, and officials say they didn’t get much and that the largest share has been taken by others.

So, clearly, there is serious corruption and abuse of money and power.
I want Premiere Wen to start investigation and punishment. We taxpayers’money shall not be used to abuse others and ruin the image of our Party.

When they are all doing such things that cannot be known by others, everything is in the name of the Party.

Premier Wen, all these illegal activities could not be understood by many. They don’t know whether it is the abusive behavior of local officials or directed by the cetral government.

I think you should give a clear answer to people soon. If we conduct a thorough investigation and tell the truth to the public, the benefits are obvious. But if you continue to neglect this, then what will people think?

Journalismus DIY – High Tech, Low Life

Es soll ja Leute geben, die mit der herkömmlichen Art und Weise, wie Medienerzeugnisse entstehen, nicht immer zufrieden sind. Oft regen sich diese Leute dann darüber auf, dass die meisten Zeitungs- und Fernsehberichte durch staatliche Zensur so stark „harmonisiert“ sind, dass eine kritische Beschäftigung mit den gesellschaftlich relevanten Themen sehr klare Grenzen hat (z.B. in China). Oder aber sie regen sich darüber auf, dass in den Medien unter anderem durch wirtschaftliche Konzentrationsprozesse und Profitstreben viele Themen so stark verkürzt und einseitig dargestellt werden, dass die Aufklärung stets meilenweit hinter der Aufregung zurückbleibt (z.B. SpOnanien/Deutschland).

Immer mehr Menschen überwinden inzwischen ihren Ärger und werden aktiv.  Einige versuchen es mit „Bloggerblumen gegen Medienpanzer“, andere tweeten sich die Finger wund. Noch steckt publizistisches Engagement, das weder staatlich finanziert ist, noch von Auflagenzahlen und Einschaltquoten abhängig ist, in den Kinderschuhen. Aber es gibt immer mehr Ansätze, die journalistische Arbeit wieder zurück zu ihren Wurzeln bringt und deren Akteure sich erfolgreich aus dem Korsett der herkömmlichen Medienlandschaft befreien. Ein Weg, auch größere Projekte wie Filme und Reportagen zu finanzieren, ist das sogenannte „Crowd Funding“. Auf Seiten wie Kickstarter.com stellt man sein Projekt vor und legt dar, wofür man das gesammelte Geld benötigt.

Derzeit läuft bei Kickstarter eine Mikro-Funding-Aktion für eine Dokumentation mit dem Titel „High Tech – Low Life“. Das Projekt, das ich für sehr unterstützenswert halte, sammelt Geld für die Post-Produktions-Kosten einer Dokumentation über „Zola“ und „Tiger“, zwei chinesische Bürgerjournalisten. Die Aktion läuft noch 40 Stunden und derzeit fehlen zusätzliche 2.000 $, damit die notwendige Gesamtsumme von 23.000 $ erreicht ist.

Hier das Video, in dem das Projekt vorgestellt wird:

Chinabildblog: In die Luft gegriffen – Die Berichterstattung über die Brüste von Kate Winslet

Der Frühling ist da und im April geht ja bekanntlich einiges drunter und drüber. Die Hormone spielen verrückt und manch ein chinesischer Mann kann selbst bei dem eher mäßig erotischen Hollywood-Schinken „Titanic“ seine Gefühle nicht mehr im Zaum halten. Denn wenn man einigen Medien glauben darf, wurde die Szene, in der  Leonardo Di Caprio die nackte Kate Winslet malt und man ihren entblößten Oberkörper zu sehen bekommt, von der chinesischen Medienbehörde „China’s State Administration of Radio, Film and Television“ (SARFT) mit dieser Begründung zensiert. So schreibt es zumindest „Welt Online“:

Es sollte mit der Zensur aber nicht nur öffentliches Ärgernis vermieden werden, sondern auch ein anderes mögliches Phänomen. Die chinesischen Sittenwächter hatten befürchtet, die Zuschauer könnten im Kinosaal in die Luft greifen, um die Brüste von Winslet berühren zu wollen. Damit würde der Filmgenuss der anderen Kinogänger beeinträchtigt.

Dummerweise ist diese Begründung reiner Humbug und geht auf einen 5-Tage alten Blogeintrag zurück, der diese satirisch gemeinte Begründung offensichtlich seinerseits aus dem chinesischen Internet übernommen hat. Hier ist der vom Ministry of Tofu verlinkte Kommentar im chinesischen Original.

更有网友调侃:估计广电总局是考虑到3D电影的特殊性,担心播放此片段时观众会伸手去摸,打到前排观众的头,造成纠纷,所以才做出删除的决定.

Einige User lästerten: Ich vermute, die Filmregulierungsbehörde hat sich über die Besonderheiten der 3D-Technik Gedanken gemacht und befürchtet nun, dass die Zuschauer ihre Hände ausstrecken werden und die Köpfe der Leute vor ihnen streicheln werden. Das gibt natürlich Ärger und daher die Entscheidung, die Szene herauszuschneiden.

Ich bin ja schon seit Langem der Meinung, dass viele Journalisten sich nur zu gern aktiv am sozial-medialen „Stille-Post-Spielen“ beteiligen und wie „Welt Online“ meist nicht eimal ihre Quellen angeben. Damit befindet sich das deutsche „Qualitätsblatt“ allerdings in guter Gesellschaft. Die gefälschte Begründung der Zensur-Entscheidung, die meiner bescheidenen Meinung nach wohl eher auf den Fakt zurückzuführen ist, dass in chinesischen Kinos aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage niemals weibliche Oberweiten zu sehen sind, kam äußerst gut bei den Medien an.

Viele Medien schrieben diese Geschichte voneinander ab, ohne sich mit lästiger Recherche-Arbeit aufzuhalten. Hier nur einige exemplarisch:

Im Vergleich zu den US-amerikanischen Seiten sind die deutschen Medien allerdings etwas im Verzug. Dort wurde bereits vor einigen Tagen darüber berichtet. Verwunderlich ist das nicht, denn von denen schreibt man seine China-Nachrichten offensichtlich ab:

Die „Huffington Post“, die auch darüber berichtete, hat den Unfug inzwischen korrigiert und als Satire ausgewiesen. Es wäre zu hoffen, dass man das in den deutschen Medien dann auch noch kopiert. Und vielleicht ändert dann ja auch James Cameron, der Regisseur von „Titanic“, noch seine Meinung.

They were affraid, that Chinese men would actually be reaching out towards the screen. This is true. You can’t make this up.
Sie hatten Angst, dass die chinesischen Männer ihre Hände zum Bildschirm hin ausstrecken würden. Das ist die Wahrheit. Das kann man sich nicht ausdenken.

Doch James. Man kann.

Zensur Spezial: Chinas Versuch, die Online-Gerüchte zu stoppen, ist so schwammig wie der “Krieg gegen den Terror”

Der folgende Text ist eine übersetzte und gekürzte Fassung eines Artikels von Steven Millward, der so freundlich war, einer Veröffentlichung hier auf Doppelpod zuzustimmen (Übersetzung: Sven Hänke). Der Originaltext „China’s Attempt to Banish Online Rumors is as Vague as the War On Terror“ erschien heute auf techinasia.com.

Die “Internet Society of China’ (ISC) hat heute ein Papier mit dem Titel “Vorschläge zur Verhinderung von Internet-Gerüchten” (chinesische Fasung hier) herausgegeben, das durch Aufklärungs- bzw. Erziehungsmaßnahmen und strengere Regularien die Verbreitung von Tratsch und Gerüchten im streng kontrollierten chinesischen Internet verhindern will. Nur neun Tage nachdem die Behörden die beiden größten chinesischen Mirkoblogs bestraft haben, weil diese nicht in der Lage waren, politische Gerüchte zu unterbinden, erinnern diese Aktionen an den berüchtigten “Krieg gegen den Terror”, in dem die Bush-Administration versucht hat, alle Schurken zu bekämpfen, die ihr schaden könnten.

Das Problem ist nur, dass sowohl Gerüchte als auch der Terrorismus abstrakte Konzepte sind, und man schwerlich einen Krieg gegen ein Konzept gewinnen kann. Ebenso wie ein ungerechter Krieg eine neue Generation von Widersachern hervorbringt, die sich zu extremen Handlungen gedrängt fühlen, wird auch diese neue Welle des Durchgreifens, der Regulationen und der Zensur zu noch weniger Transparenz in der chinesischen Politik und im Internet führen und die Netizens zur Produktion von noch mehr Gerüchten nötigen. Chinesische Mikroblogs wie Sina und Tencent haben bereits eine hohe Anzahl an Mitarbeitern, die mit der Selbst-Zensur, der Sperrung von Nutzern und der Löschung von Posts beauftragt sind. Sie löschen Nachrichten mit Schlüsselwörtern, die die “Soziale Stabilität” bedrohen. Die neue Propaganda-Parole “Soziale Stabilität” ist mehrmals in dem ISC-Papier genannt. Hinzu kommt die neue Klarnamen-Richtlinie für die Mikroblogs, die die Gerüchte eindämmen soll. Denn dadurch sollen sich die Nutzer für den Inhalt der Tweets verantwortlich fühlen – oder eingeschüchtert. Aber Sina und Tencent werden überflutet mit Posts und die häufigste Strafe ist derzeit lediglich die Löschung der entsprechenden Nachrichten. Die Nutzer der Mikroblogs wissen das und verbreiten daher weiterhin Gerüchte – auch politische und trotzen damit der finsternen Dunkelheit der fehlenden Transparenz, die sowohl bei der Regierung als auch den On- und Offline-Medien vorherrscht, welche sich entweder der Regulierung unterwerfen, oder sich in die Gefahr begeben, ihre Geschäftsgrundlage zu verlieren.

Und so steht nun also ein “Krieg gegen die Gerüchte” bevor, der sich durch eine weitgehendere Überwachung von normalen Bürgern auszeichnet und jedermann pauschal unter Verdacht gestellt wird. Auch das erinnert an den “Krieg gegen den Terror”, bei dem die USA und Großbritannien ihren Polizeiapparat aufrüsteten. Im Westen setzte man immer fortgeschrittenere Technologien, wie die Gesichtserkennung und den Ganzkörper-Scanner ein. China hingegen hat die Medien bereits weitgehend unter Kontrolle. Man muss diese also eigentlich nur auf die Mikroblogs ausdehnen. Das Problem ist nur, dass es kaum noch etwas gibt, was noch unternommen werden kann. Den jüngsten Gerüchten über einen Staatsstreich wurde mit der bereits erwähnten Kommentarsperre und der Verhaftung von sechs Personen begegnet, die aktiv an der Verbreitung der Gerüchte beteiligt waren. Was soll man denn noch tun? Hunderte einsperren? Eine eingebaute Verzögerung der Verbreitung der Nachrichten in den Mikroblogs implementieren? Fordern, dass die Nutzer ihre Tweets per Fax an das lokale Polizei-Büro schicken? OK, der letzte Vorschlag war nicht ernst gemeint. Aber im Ernst: Wie soll man Fortschritte bei der Bekämpfung von Online-Gerüchten machen, wenn die chinesischen Internetnutzer keinen Lichtstrahl am Horizont sehen in Bezug auf die Authoritäten selbst?

Nachtrag: Der Gott des angebissenen Apfels

Die Nachricht schlug in China ein wie eine Bombe. Gott ist tot. Als Steve Jobs starb, da waren viele Chinesen verwirrt. Sicher, man hatte von seiner Krankheit gehört und man hatte wahrgenommen, dass er bei den Produktpräsentationen von Mal zu Mal gebrechlicher wirkte. Aber tot? Steve Jobs war also wirklich sterblich?

Steve Jobs wurde in China in einem Maße vergöttert, das noch weit über die kultische Verehrung hinausgeht, die man weltweit vor allem in den sogenannten Kreativberufen antrifft. Apple ist mehr als nur eine Firma, die Endgeräte ohne USB-Anschluss baut. Apple ist eine weltumspannende Religion. Ganz sicher. Und wer einmal dieses Leuchten in den Augen eines Grafikdesigners gesehen hat, wenn er sein neues 4S aus der medizinisch-neutral-weißen Verpackung herausnimmt und zum ersten Mal die Finger zärtlich über das Display gleiten lässt, der weiß, dass in Palo Alto keine Computer und Handys entworfen werden, sondern Visionen eines besseren Lebens, die aus den sphärischen Dimensionen der Cloud zu den Menschen gelangen.

Bisher hat sich China durch die Jahrtausende eigentlich gegenüber jeder Form des Glaubens an spirituelle Welten erfolgreich verschlossen. Oder aber die Religion wurde – wie der Buddhismus – so stark an die Gegebenheiten in China angepasst, dass von ihr nicht viel übrig blieb. Auch der Ausschließlichkeitsanspruch von Religionen wurde in China nie so stark betont wie in anderen Ländern. In den Tempeln sieht man auch heute noch Ahnenverehrung, Konfuzianismus und Buddhismus in einer bunten Mischung nebeneinander. Wie beim Kungfu existieren unzählige Schulen. Chinesen sehen meist keinen kategorischen Unterschied zwischen Religionen und warmen Wollsocken. Je mehr man davon hat, desto besser. Und nur weil man die eine Lehre bevorzugt, besteht für viele Chinesen noch lange kein Anlass, nicht auch die andere zu praktizieren. Ich habe einmal einer Studentin geholfen, sich für ein theologisches Promotionsstudium in Deutschland zu bewerben. In der Ausschreibung stand, dass die Zugehörigkeit zu einer christlichen Religion für ein Stipendium vorausgesetzt wird. Als ich sagte, dass sie sich daher leider nicht auf das Stipendium bewerben könne, sagte sie: „Warum? Ich kann doch vorher Christin werden? Oder gibt eine Aufnahmeprüfung?“

Das nun aber gerade der ewig rollbekragte Steve Jobs nach seinem Tod zum Messias der Chinesen geworden ist und in den Großstädten auf zahllosen Plakaten sein grüblerisches Lächeln verbreitet, ist ein wenig inkonsequent.

Schließlich muss man sich beim Thema Tibet von den meisten Chinesen anhören, dass die Gelbmützensekte um den Dalai Lama einst ein religiöses Sklavensystem geschaffen hat und es daher doch vollkommen hirnlos ist, diesen Vertreter einer Ausbeuterideologie zu verehren. Wenn Chinesen in Deutschland in der Exotik-Ecke des Buchladens den tibetischen Religionsführer auf den unzähligen Buchtiteln lächeln sehen, dann wundern sie sich über die Begeisterung, die diesem Mann entgegengebracht wird.

Nun sind zwar nicht alle Geschichten über die Zustände in den chinesischen Apple-Zulieferbetrieben auch nach dem Fakten-Check einer Spiegelgeschichte würdig. Aber unbestreitbar entstehen die paradiesischen Gewinnmargen der Firma mit dem angebissenen Apfel auch durch eine Art Sklavensystem. Apple floriert vor allem deswegen, weil chinesische Arbeitskräfte für einen Hungerlohn die Drecksarbeit machen. Nicht, dass die anderen globalen Firmen, die in China produzieren auch nur einen Deut besser wären. Nein, auch Samsung, Nokia und Siemens und die meisten anderen Konzerne, die in China fertigen lassen, sind auf dem Prinzip der Ausbeutung chinesischer Arbeitskräfte durch Niedriglöhne aufgebaut. Apple hat das Prinzip nur perfektioniert.

Aber warum lieben die Chinesen denn den Mann und seine Firma, für dessen Aktienkurssteigerung zahlreiche ihrer Landsleute in den Werkshallen schuften? Ich kann es mir eigentlich nur durch das Stockholm-Syndrom erklären. Oder durch die Tatsache, dass Apple die besten und schicksten Endgeräte ohne USB-Anschluss baut.

Die Armut, die bitterkalte Armut

Es war gegen zwei Uhr an einem Donnerstag in einer eisigen Winternacht und ich hatte Hunger. Nicht immer verzeiht mir mein Magen diese nächtlichen Ausflüge zu den chinesischen Garküchen, aber diesmal musste es Malatang sein. Malatang und Sichuan-Pfeffer machen süchtig. Ich zog meine dickste Winterjacke an und ging zu Fuß von unserer Wohnung nach Sanlitun; erst durch die ungewohnt menschenleeren Hutong-Gassen, dann durch die verspiegelten Hochhausschluchten.

Gucci, Apple, Starbucks

Sanlitun steht wie kaum ein anderer Ort für den manchmal so herzlosen und hektischen Auftstieg des neuen Chinas. Sanlitun, das ist das „Village“, ein modernistischer Einkaufskomplex, der die Besucher mit dem größten Adidas-Store der Welt begrüßt und in dem sich Gucci, Apple, Starbucks und all die anderen Markführer ihre neue Konsumentenschicht heranzüchten. Sanlitun ist auch das „Soho“, eine Stadt in der Stadt, ein überdimensionierter Wohn- und Arbeitskomplex, der mit geschwungenen Milchglasfassaden über dem Gelände thront wie ein gigantisches Sound-Essemble von Bang und Olufsen. Sanlitun ist die Kneipenstraße mit den Touristenschuppen und den lustlosen Karaokebands, den Clubs mit ihrer grellbunten Technowelt und den verrauchten Bars.

In den heißen Sommernächten ist die Kneipenstraße vollgestopft mit Touristen, Expats und Gaststudenten, die sich verschwitzt und betrunken von Club zu Club hangeln. Die Fremden aus dem Westen und ihre vollen Geldbeutel haben über die Jahre eine ganze Reihe von Gangstern, Prostituierten und Bettlern angelockt, die den Mark untereinander aufteilen. An den dunklen Ecken stehen die Drogendealer schwarzafrikanischer Herkunft, die Marihuana verkaufen. Die etwas abseits gelegenen Straßen sind gesäumt von jungen Frauen, die einsame ausländische Männer mit den immer gleichen Worten „Massaji“ und „Ladybar“ für ihre Dienste gewinnen wollen. Etwas weiter westlich, am Arbeiterstadion, stehen die schmutzigen Bettlerinnen mit ihren Kindern auf dem Arm und bitten die betrunkenen Austauschstudenten mit ihren Plastikbechern in der Hand um etwas Kleingeld.

Tiefgefrorenes Sandpapier

In der Hochsaison wimmelt es in der Kneipenstraße von chinesischen Kleinunternehmern. Direkt im Village sieht man sie nicht, da werden sie von den Ladenbesitzern und den Ordnungsbeamten vertrieben; nur die Rikschafahrer, die vor dem Adidas-Store zwischen den Taxis und den neuesten Modellen der Oberklasse hindurchmanövrieren, werden toleriert. In der Kneipenstraße jedoch stehen die Verkäufer mit ihren Ständen. Sie verkaufen gefälschte Marken-Zigaretten, Getränke, Blumen, chinesische Musikinstrumente und Plastikspielzeug. Im Sommer gleicht die Straße einem chaotisch bunt-blubbernden Feuertopf. Bis in die späten Nachtstunden stehen die Verkäufer dort mit ihren Garküchen, bei denen man für wenig Geld Lammspieße, Hänchenflügel und eben Malatang bekommt.

In dieser Nacht war es minus sieben Grad. Leere Plastiktüten wehten durch die Einkaufpassage und ein paar Drogendealer gingen eine Weile neben mir her, bis sie merkten, dass ich nicht deswegen nach Sanlitun gekommen war. Vereinzelte Touristengruppen kamen aus den Bars, in denen die Bässe die leeren Tanzflächen bedröhnten. Obwohl es mitten in der Nacht war und der beißend staubtrockene Wind sich auf der Haut anfühlte wie tiefgefrorenes Sandpapier, standen die frierenden Männer und Frauen wie immer an ihren Garküchen und warteten auf Kundschaft. Auch die Verkäufer mit ihren bunten gasgefüllten Luftballons, den Blumen und den Spielsachen waren wie immer in der Kneipenstraße.

Dieses Mal aber war es echt

Ich stetzte mich auf einen der winzigen Schemel, die vor einem Malatang-Stand aufgereiht waren. Spieße mit Pilzen, Gemüse, kleinen Würstchen, Tofu, Fischklößchen und auch einigen Innereien schwammen in der dunkelroten Brühe aus Fett, Chillischoten und Sichuan-Pfeffer, der wegen seiner leicht betäubenden Wirkung ein Prickeln auf der Zunge hinterlässt.

Die Verkäuferin war froh, dass ihr in dieser Nacht noch jemand ein paar Spieße abkaufte. Eine ganze Zeit saß ich und aß stumm das, was sie mir auf den Teller legte. Hin und wieder kamen Verkäufer mit ihren Luftballons und ihren Spielsachen. Nach einer Weile kam eine der Frauen mit den bunten Luftballons und fragte mich, ob ich ihr vielleicht einen Tofuspieß kaufen könnte. Ihre Lippen waren aufgeplatzt und ihre Wangen waren rot wie gerocknete Äpfel. Ich sagte ja und sie nahm sich einen Spieß, den sie hungrig verschlang. Sie fragte, ob sie noch einen essen dürfe und als ich ja sagte, setzte sie sich neben mich. Ich sagte, dass es ohnehin sehr ungesund sei, allein zu essen und lachte. Sie lachte auch und aß hastig. Nach einer Weile kamen auch die anderen Luftballonverkäufer und ich lud sie zum Essen ein. Am Ende waren wir zu fünft.

Wie oft habe ich in den letzten Jahren in einem Restaurant an einem der runden Tische gesessen, bei Geschäftsessen oder mit der Familie und nach chinesischer Sitte die anderen höflich dazu aufgefordert, zuzugreifen. In China drängt man seine Freunde beständig, sich satt zu essen und nicht zurückhaltend zu sein. Eigentlich war das für mich meist ein eher abstruses Schauspiel, bei dem es darum ging, seine soziale Kompetenz zu beweisen, in dem man sich bescheiden und großzügig zeigt. Dieses Mal aber war es echt. Wer in einer eiskalten Winternacht verzweifelt versucht, den versprengten Touristen für ein paar Yuan einen Luftballon zu verkaufen, für den sind Bescheidenheit und Großzügigkeit beim Essen keine leeren Formeln sozialer Interaktion.

Der Mann, der mir an diesem Abend gegenüber saß, hatte Hunger. Und ich sah den Scham in seinen Augen – den Scham, von mir, einem Ausländer, diese Form der Großzügigkeit anzunehmen. Ich hingegen schämte mich dafür, dass ich manchmal an einem Abend in den Bars und Geschäften dieser Gegend soviel Geld ausgegeben hatte, wie dieser Mann in einem ganzen Monat oder vielleicht sogar in einem halben Jahr verdient. Der Mann aß langsam und voller Würde und als ich ihn bat, noch etwas zu nehmen, lehnte er bescheiden ab.

Die Böden sind schlecht und die Bevölkerungszahlen hoch

Die Verkäufer kamen alle aus Hunan, eine Provinz, in der, wie sie sagten, die Böden schlecht und die Bevölkerungszahlen hoch sind. Wer weiß, welche Schicksalsschläge sie nach Beijing geführt hatten und welche Versprechungen ihnen gemacht wurden, welcher sprupellose Geschäftsmann ihnen die Luftballons und die Spielsachen verkauft hat. Wer weiß, welchen Anteil sie vielleicht auch selbst daran haben, dass sie in dieser wenig hoffnungsvollen Situation sind. Sicher ist aber, dass sie alles darum gegeben hätten, nicht in dieser Situation zu sein.

Viele Dinge in China kann man nur verstehen, wenn man sich vor Augen führt, dass die Armut, eine brutale und bedrohliche Armut immer noch untrennbar zu Chinas Gegenwart gehört. Die glitzernden Fassaden in den großen Städten können sehr lange darüber hinwegtäuschen, dass die  Entbehrungen und der Hunger den Menschen in den Knochen steckt. Denn auch die, die die Armut hinter sich gelassen haben, werden in irgendeiner Form von der dauerhaften Anwesenheit von Kälte, Hunger und Elend begleitet.

Und vielleicht ist auch die Verschwendungssucht der wohlhabenden Chinesen, der Luxus und die Achtlosigkeit, mit der der Kuchen bei Starbucks nach dem ersten Bissen neben den halbvollen Tassen auf dem Tisch stehen gelassen wird, nichts weiter als der ewige Kampf, sich von der Armut, dem chinesischen Stigma, so weit wie möglich zu entfernen.

Yu Huas armer Riese und der kategorische Imperativ

Der chinesische Schriftsteller Yu Hua, der die Gabe hat, sowohl die Poesie als auch die Brutalität des chinesischen Lebens in Worte zu fassen, beschreibt in einem seinem neuesten Buch China in Ten Words eine Szene aus seiner Jugend, die die Armut zu einem Schlüsselmoment der ganzen Gesellschaft werden lässt. Die Geschichte spielt zur Zeit der Kulturrevolution, in der Nahrungsmittel nur gegen Essensmarken zugeteilt wurden. Um Spekulationen zu verhindern, war es verboten, mit diesen Marken zu handeln. Die Jugendlichen in dem kleinen Ort hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die öffentlichen Plätze zu überwachen, um die Schwarzhändler zu stellen und der Polizei zu übergeben. Eines Tages griff die Jugendbande einen groß gewachsenen Mann auf, der die Lebensmittelmarken, die er zu Geld machen wollte, erst aus der Hand gab, als die Kinder mit einem Stein auf seine Hände einschlugen und so die Umklammerung lösten. Auf der Polizeiwache stellte sich heraus, dass der Mann aus elenden Verhältnissen kam. Er lebte in einem kleinen Dorf und seine Familie hatte sich ein ganzes Jahr lang die Marken vom Munde abgespart. Der Mann wollte heiraten und mit dem Geld einen Teil seiner Aussteuer bezahlen.

Wenn man sich, wie viele Ausländer in China, die Frage stellt, warum die Chinesen denn ihre eigenen Gesetze so oft nicht einhalten, dann ist man mit fehlender moralischer Integrität sehr schnell bei der Hand. Die Chinesen haben Kants kategorischen Imperativ eben noch nicht so richtig verstanden.

Die Ausnahmen von Regeln werden zu einem Akt der Mitmenschlichkeit

Bei genauer Betrachtung erkennt man jedoch, dass es oft die Armut ist, die Bitterkeit der Realität, die Ausnahmen von Regeln zu einem Akt der Mitmenschlichkeit werden lässt. Warum werden die Rikschafahrer toleriert, die Händler von Raubkopien nicht hart bestraft, die wilden Märkte auf den Fußgängerbrücken nicht unterbunden? Manchmal liegt es einfach daran, dass die Beamten vom Ordnungsamt es nicht übers Herz bringen, den Menschen, die ohnehin fast nichts haben, ihren einzigen Verdienst zu nehmen.

An meiner Uni studieren jedes Jahr Studenten, die aus sehr armen Familien kommen. Die Eltern haben auf vieles im Leben verzichten müssen, um ihren Kindern einen Universitätsbesuch zu ermöglichen. Die Studenten haben den größten Teil ihrer Kindheit geopfert, um durch fast unendlichen Fleiß und militärischen Drill eine gute Note bei der Hochschulaufnahmeprüfung zu erreichen. Um im Leben eine Chance zu haben und der Armut zu entkommen, haben sie große Opfer gebracht. Wenn nun einer dieser Studenten, aus welchen Gründen auch immer, die für einen Studienabschluss erforderlichen Leistungen nicht erbringt, würde man ihn dann mit gutem Gewissen durchfallen lassen? Würde man ihn seiner hart erkämpften Zukunft berauben? Würde man angesichts der Not, die diese Studenten und vor allem ihre Eltern erleiden mussten, nicht Gnade vor Recht ergehen lassen und ein Auge zudrücken? Und wenn man in diesem Fall die objektiven Kriterien aufhebt, muss man dann nicht auch in anderen Fällen weniger streng sein, um eine Vergleichbarkeit zumindest nach außen aufrechterhalten zu können?

In China gibt es sehr wenig Studienabbrecher. Egal, wie schlecht die Leistungen der Studenten sind, am Ende bekommen sie fast immer ihren Abschluss. Das ist ein System, das in in seiner Paradoxität kaum zu übertreffen ist. Aber wer will denn schon verantwortlich dafür sein, wenn sich die Eltern aus dem Fenster stürzen, weil ihre Kinder, ihre einzige Hoffnung auf eine bessere Zukunft, sie so bitter enttäuscht haben? Und das ist keine Übertreibung. So etwas passiert immer wieder.

Eine ehemalige Kollegin von mir hat gerade einen Artikel im Spiegel veröffentlicht, in dem sie über die aus deutscher Perspektive nahezu unmenschlichen Lernbedingungen an chinesischen Mittelschulen schreibt. Der Bericht trifft die Wirklichkeit wohl recht gut, ignoriert aber vollständig die Zwänge und Hintergründe des chinesischen Überlebenskampfes, die Bildungspolitik oft zu etwas werden lassen, wie die Veranstaltung einer Runde „Reise nach Jerusalem“ – mit viel zu wenig Stühlen. Es lässt sich leicht über eine Ellenbogengesellschaft philosophieren, wenn man selbst im weichen Sofa sitzt.

Armut ist nicht relativ

Als ich in meinem ersten Jahr an einer chinesischen Universität „Zeitungslektüre“ unterrichtet habe, hielt ich es für eine gute Idee, das Thema „Armut“ zu behandeln. Ich dachte, dass es ein interessanter Perspektivwechsel sein würde, sich mit der Armut in Industrieländern zu beschäftigen, die zu diesem Zeitpunkt zunehmend zu einem Problem wurde. Aber als die Studenten die Summen hörten, die deutsche Arbeitslosengeldempfänger monatlich bekommen, erntete ich Blicke, die mir zu verstehen gaben, dass sie spätestens jetzt sicher waren, wie wenig die Menschen im reichen Westen überhaupt in der Lage sind, die Bedeutung des Wortes „Armut“ angemessen zu verstehen.

Ich habe damals auch einen Fernsehbericht gezeigt, in dem eine deutsche Studentin einen Selbstversuch macht und die „Bitterkeit“ einer Hartz4-Existenz an sich selbst ausprobiert. Es war schon fast komisch, wie in dem Bericht versucht wurde, die Situation dieser Studentin in den schwärzesten Farben zu malen. Sie saß einsam am Fenster, sah in den grauen Himmel und musste sich damit abfinden, dass ihre Fertig-Pizza nicht mehr aus dem Hause Doktor Oettker kam. Die Szenen waren mit deprimierender Musik unterlegt, um die Dramatik der Situation zu verdeutlichen. Kein Urlaub, kein Kino, nichts.

Einige der chinesischen Studenten fanden es sicher nicht besonders komisch. Viele Menschen im reichen Westen hören es vielleicht nicht so gerne hören, aber es ist die Wahrheit: Armut ist nicht relativ. Die westlichen Wohlstandsgesellschaften haben die Armut besiegt. Heute müsste in Deutschland niemand frieren oder hungern. Der Staat garantiert zumindest die nackte Existenz. In China ist das anders. Auch wenn die Situation sich sehr verbessert hat, lebten laut offizieller Angaben im Jahr 2010 in China immer noch fast 27 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze.  In China gilt jemand als arm, der umgerechnet weniger als 148 Euro zur Verfügung hat – im Jahr.