Feng Xiaogang ist einer der wichtigsten Regisseure Chinas. Seine Filme sind oft getragen von einem humoristischen Blick auf Chinas gesellschaftliche Realität. Mit dem Publikumserfolg „If You Are The One“ (非诚勿扰) hat er einen Meilenstein geschaffen und die chinesische Romcom in die Moderne geführt. Welche Hindernisse es auf dem Weg zum erfolgreichen Filmemacher zu überwinden galt, hat er nun in seiner Rede anlässlich der Ehrung zum „Regisseur des Jahres“ der chinesischen Regisseur-Vereinigung offenbart. Die größte Qual war für ihn die Zensurbehörde, die sich immer wieder in sein Werk eingemischt hat.
Wenn man eine Anordnung erhält, ist es oft so lächerlich, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Besonders dann, wenn man weiß, dass ein Detail gelungen ist und man gezwungen ist, dies in etwas Unsinniges zu ändern. Müssen sich die Regisseure in Hollywood so etwas gefallen lassen? Um genehmigt zu werden, muss ich meine Filme in einer Weise schneiden, die sie schlechter macht. Warum machen wir das mit? Ich glaube, der einzige Grund ist, dass wir ein Haufen Verrückter sind, die nichts aufhalten kann, Filme zu machen. (Aus Zeitgründen hier eine Übersetzung der englischen Transkription von TLN, die mit dem Original inhaltlich weitgehend übereinstimmt, jedoch im Detail vom Redetext abweicht)
Ich kann nur zu gut verstehen, was er meint. Regiearbeit besteht ja ohnehin oft aus einer Reihe von Kompromissen. Schauspieler, Produzenten und Drehbuchautoren müssen vom Regisseur überzeugt werden, damit ein Werk ensteht, das den eigenen Ansprüchen gerecht wird. Wenn dann noch eine Zensurbehörde, in der Entscheidungen getroffen werden, die jeder künstlerischen und rationalen Grundlage entbehren, darüber entscheidet, welche Themen auf welche Art und Weise behandelt werden dürfen, dann bricht das einem Regisseur mit Sicherheit das künstlerische Herz.
Zum ersten Mal hat sich ein Filmemacher öffentlich zu der chinesischen Zensur geäußert und die ungerechtfertigten Eingriffe der Instanzen der Macht in den künstlerischen Prozess beklagt. Wie grotesk und peinlich ist es, dass die Zensur es offenbar nicht lassen konnte, das Wort „Zensur“ mit einem Piep-Ton zu übertönen! Vielleicht hat JR Recht damit, dass die Außenwirkung von Repressionen den Machthabern weniger wichtig sind, als gemeinhin angenommen. Denn in einem authoritären Staat geht es meist einfach darum, Autorität unter Beweis zu stellen und Macht zu demonstrieren. Aber wie soll denn der Weg, den man eingeschlagen hat, auf diese Art und Weise weitergegangen werden? Der Weg in die rationale, erfolgsorientierte Industriegesellschaft, in der allein die Fähigkeit zur innovativen, eigenständigen Denkweise über Sieg und Niederlage entscheidet, kann nicht konsequent gegangen werden, wenn gesellschaftlich weiterhin Denkverbote akzeptiert werden.
Das ist in meinen Augen der wirkliche Hauptwiderspruch der modernen chinesischen Gesellschaft, der immer deutlicher zu Tage tritt. Wirklicher wissenschaftlicher Fortschritt, der dringend benötigt wird, um die nächste Etappe des wirtschaftlichen Aufbaus zu meistern, wird nicht erreicht werden, ohne eine grundlegende Hinterfragung von Autoritäten. Ebenso wie die Kunst kann auch die Wissenschaft nur in der Freiheit zu sich selbst finden. Gute Produkte, künstlerische wie industrielle, dürfen zwar aus Kompromissen hervorgegangen sein. Aber sie erlauben nicht, dass man im Sinne der Macht die falschen Entscheidungen trifft. Ein autoritäres System ist per Definition nicht innovativ. Je mehr Menschen sich jedoch der Innovation und damit auch dem gesellschaftlichen Fortschritt jenseits des „Blut-und-Schweiß-GDPs“ verpflichtet fühlen, desto weniger werden sie bereit sein, willkürliche Entscheidungen zu akzeptieren.