Chinabildblog: In die Luft gegriffen – Die Berichterstattung über die Brüste von Kate Winslet

Der Frühling ist da und im April geht ja bekanntlich einiges drunter und drüber. Die Hormone spielen verrückt und manch ein chinesischer Mann kann selbst bei dem eher mäßig erotischen Hollywood-Schinken „Titanic“ seine Gefühle nicht mehr im Zaum halten. Denn wenn man einigen Medien glauben darf, wurde die Szene, in der  Leonardo Di Caprio die nackte Kate Winslet malt und man ihren entblößten Oberkörper zu sehen bekommt, von der chinesischen Medienbehörde „China’s State Administration of Radio, Film and Television“ (SARFT) mit dieser Begründung zensiert. So schreibt es zumindest „Welt Online“:

Es sollte mit der Zensur aber nicht nur öffentliches Ärgernis vermieden werden, sondern auch ein anderes mögliches Phänomen. Die chinesischen Sittenwächter hatten befürchtet, die Zuschauer könnten im Kinosaal in die Luft greifen, um die Brüste von Winslet berühren zu wollen. Damit würde der Filmgenuss der anderen Kinogänger beeinträchtigt.

Dummerweise ist diese Begründung reiner Humbug und geht auf einen 5-Tage alten Blogeintrag zurück, der diese satirisch gemeinte Begründung offensichtlich seinerseits aus dem chinesischen Internet übernommen hat. Hier ist der vom Ministry of Tofu verlinkte Kommentar im chinesischen Original.

更有网友调侃:估计广电总局是考虑到3D电影的特殊性,担心播放此片段时观众会伸手去摸,打到前排观众的头,造成纠纷,所以才做出删除的决定.

Einige User lästerten: Ich vermute, die Filmregulierungsbehörde hat sich über die Besonderheiten der 3D-Technik Gedanken gemacht und befürchtet nun, dass die Zuschauer ihre Hände ausstrecken werden und die Köpfe der Leute vor ihnen streicheln werden. Das gibt natürlich Ärger und daher die Entscheidung, die Szene herauszuschneiden.

Ich bin ja schon seit Langem der Meinung, dass viele Journalisten sich nur zu gern aktiv am sozial-medialen „Stille-Post-Spielen“ beteiligen und wie „Welt Online“ meist nicht eimal ihre Quellen angeben. Damit befindet sich das deutsche „Qualitätsblatt“ allerdings in guter Gesellschaft. Die gefälschte Begründung der Zensur-Entscheidung, die meiner bescheidenen Meinung nach wohl eher auf den Fakt zurückzuführen ist, dass in chinesischen Kinos aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage niemals weibliche Oberweiten zu sehen sind, kam äußerst gut bei den Medien an.

Viele Medien schrieben diese Geschichte voneinander ab, ohne sich mit lästiger Recherche-Arbeit aufzuhalten. Hier nur einige exemplarisch:

Im Vergleich zu den US-amerikanischen Seiten sind die deutschen Medien allerdings etwas im Verzug. Dort wurde bereits vor einigen Tagen darüber berichtet. Verwunderlich ist das nicht, denn von denen schreibt man seine China-Nachrichten offensichtlich ab:

Die „Huffington Post“, die auch darüber berichtete, hat den Unfug inzwischen korrigiert und als Satire ausgewiesen. Es wäre zu hoffen, dass man das in den deutschen Medien dann auch noch kopiert. Und vielleicht ändert dann ja auch James Cameron, der Regisseur von „Titanic“, noch seine Meinung.

They were affraid, that Chinese men would actually be reaching out towards the screen. This is true. You can’t make this up.
Sie hatten Angst, dass die chinesischen Männer ihre Hände zum Bildschirm hin ausstrecken würden. Das ist die Wahrheit. Das kann man sich nicht ausdenken.

Doch James. Man kann.