Das doppelte Gangnam

Noch immer scheint die ganze Welt nicht vom koreanischen Gangnam-Fieber geheilt. Vielleicht gibt es ja im tiefsten brasilianischen Urwald noch jemanden, der dieses Video noch nicht gesehen hat. Vielleicht. Bei Youtube allerdings ist inzwischen die 100-Millionen-Grenze im unnachahmlichen Hoppe-Hoppe-Reiter-Schritt genommen.

Doch halt. Unnachahmlich. Nicht unbedingt. Was haben die Netizens rund um den Planeten nicht alles angestellt mit diesem Video. Auch die chinesischen Video-Portale quellen geradezu über mit skurrilen Adaptionen. Beliebt sind der Obama-Style, eine technisch beeindruckende, aber fraglos vollkommen politisch-unkorrekte Fassung im Hitler-Style und eine Folkrock-Variante.

Doch die kommen alle nicht aus China. Das beeindruckendste Ergebnis der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem kollektiven Trash-Techno-Galopp aus China ist – böse Zungen würden behaupten erwartenswerterweise – eine Kopie. Aus Hongkong stammt die Version, bei der man schon sehr genau hinsehen muss, um sie vom Original zu unterscheiden.

Tatatatataaa und Hopp:

Die Ruhe. Das Nichts-Tun

„Dao ke dao, fei chang dao“, sagte Doktor Cao. Er sagte es nachdenklich und auch sein Ellenbogen schob sich deutlich langsamer zwischen meine Lendenwirbel. Ich hatte diesen Satz gelesen, als ich noch im Vorzimmer wartete, während Doktor Cao, die Nackenmuskulatur einer zierlichen jungen Frau massierte, auf deren bunt-lackierten Fingernägeln kleine, funkelnde Schmetterlinge um eine Blume kreisten.

Der Begleiter der jungen Frau spielte währenddessen Golf auf seinem I-Phone. Ich saß auf einer rissigen Ledercouch und sah mich im Vorzimmer um. Die Tapeten waren vergilbt und auf dem schwarzen Rattan der Möbel lag eine dicke Schicht aus Staub. An der Wand hing ein Bild mit Meridianen, die sich durch den Körper zogen, wie Ameisentunnel durch den Waldboden. Nachdem ich mir die verschiedenen Geräte, die sonderbaren Schröpfkugeln, die Schabmesser und die Saugpumpen angesehen hatte, die auf einem Regal aufgereiht waren, fielen mir die Bücher auf, die in einem Zeitungsständer neben der Couch lagen. Ich nahm wahllos eins heraus. Es war das „Dao De Jing“, ein Ur-Text der Taoisten, und als ich das Buch aufschlug, las ich diesen Satz. „Dao ke dao, fei chang dao“

Als Doktor Cao dann seine Arbeit an der Nackenmuskulatur beendet hatte und die junge Dame sich von ihrem Begleiter ihre französische Handtasche geben ließ, um zu bezahlen, ging mir der Satz immer noch durch den Kopf. Das Mädchen mit den Schmetterlingshänden war gegangen und Doktor Cao, der eigentlich kein Doktor ist, sondern ein blinder Masseur, ließ mich rufen. Man pflegt ja chinesischen Sprache oft sehr höfliche Umgangsformen und so sagte der Rezeptionist: „Doktor Cao, dein ausländischer Freund, der Lehrer Han ist da.“

Ich lernte Doktor Cao kennen, als meine Eltern mich während der olympischen Spiele besuchten. Weil der Sommer in Beijing wie immer unerträglich heiß war, beschloss damals meine Mutter, auch nachts die Klimaanlage auf eine Temperatur einzustellen, bei der selbst Eskimos ihre Pelzkapuzen tief ins Gesicht gezogen hätten. Mein Vater hat schon sehr lange immer mal wieder Rückenprobleme, dieses Mal waren es ernste. Er hatte sich, wie Doktor Cao es ausdrückte, „Kälte gefangen“. Vielleicht kam noch hinzu, dass die Matratze des Gästebettes an traditionelle chinesische Foltergerätschaften erinnerte und die Sprungfedern an einigen Stellen deutliche Abdrücke auf dem Laken hinterließen. Mein Vater jedenfalls schaffte es an diesem Tag kaum aus dem Bett. Die meiste Zeit konnte er sich nur mit Hilfe eines Rollkoffers durch die Wohnung bewegen, den er als Gehwagen zweckentfremdet hatte. Zwar war der Urlaub meiner Eltern bald zu Ende, aber es war kaum vorstellbar, wie mein gebückter Vater in diesem Zustand die Strapazen der Heimreise überstehen sollte. Wir brauchten Hilfe.

Die Massagepraxis, in der Doktor Cao arbeitet, hatte damals gerade erst aufgemacht. Sie war mir sofort aufgefallen, schließlich habe ich die Rückenprobleme meines Vaters geerbt. Ich zögerte damals allerdings, das Wohlbefinden meines oder des Rückens meines Vaters noch einmal in die Hände eines blinden Masseurs zu legen. Mit blinden Masseuren hatte ich keine besonders guten Erfahrungen gemacht. Ein einziger Besuch dort hatte mich in mehrerer Hinsicht stark überfordert. Und erst die Bekanntschaft mit Doktor Cao ermöglicht es mir, bei dem Thema „Blinder Masseur“ nicht mehr sofort an die Worte „röhren“ und „Kamel“ zu denken.

Jiang Li, meine Kollegin, die zur Aufbesserung ihres kargen Universitätsgehaltes hin und wieder Übersetzungen anfertigte und der ich oft dabei half, hatte mir einmal eine SMS mit folgendem Inhalt geschickt. „Welches Geräusch macht ein Kamel?“ Es dauerte etwas, bis ich verstand, was sie meinte und dass sie bei einer Übersetzung auf eine Schwierigkeit gestoßen war. „Evtl. röhren; wie ein Hirsch“, war meine Antwort. Und während meines ersten Besuches bei einem blinden Masseur, da dachte ich: „Das passt. Dieser Masseur röhrt wie ein Kamel.“

Der junge Mann, der mich massieren sollte, war eindeutig blind. Nicht alle blinden Masseure in China sind auch wirklich blind, aber dieser war es. Nachdem ich der Empfangsdame in meinem damals noch sehr schlechten Chinesisch irgendwann erfolgreich vermitteln konnte, dass ich eine Rückenmassage wollte, kam dieser junge Mann. Ich lag schon auf der Liege, als er den Raum betrat. Seine Augen lagen tief im Kopf hinter einem milchigen Schleier. Er war insgesamt von einer bemitleidenswerten Gestalt. Doch so sehr er mir auch Leid tat, so sehr ekelte ich mich vor ihn und den Geräuschen, die er machte.

Vor meiner Zeit in China war das Thema „Massage“ ist in meinem Gehirn in einer ganz bestimmten Region abgespeichert – der „Wellness-Plätschermusik-Ayuweda-Öl-Ecke“. Doch die Erfahrungen, die ich in China gemacht habe, zwangen mich, das ursprüngliche Konzept deutlich weiter zu fassen.

Es begann mit einem Rumpeln im Magen des Masseurs. Ich lag auf dem Bauch und mein Gesicht befand sich in der runden Aussparung der Massage-Liege. Ich schloss meine Augen und versuchte das Rumpeln zu ignorieren. Masseure in China wollen sich während der Arbeit meist ein bisschen unterhalten, entweder weil sie es für höflich halten, oder um die Gelegenheit zu nutzen, etwas von einem weitgereisten Fremden über seine ferne Heimat zu erfahren. Dieser Masseur sagte nichts. Nur sein Magen gab langgezogene, säufzende Laute von sich. Dann rülpste der Masseur. Ich vermutete zunächst, er habe etwas schwer Verdauliches gegessen hatte. Und es ist ja nicht selten, dass Menschen in China auch in der Öffentlichkeit laut rülpsen. Ich hatte sogar einmal eine Studentin, die aus irgendeinem Grund in fast jedem Unterricht rülpste. Also dachte ich mir bei diesen Geräuschen zunächst nicht viel.

Dann rumpelte es wieder. Das Rülpsen wurde lauter. Und es wurde länger. Hörbar bahnten sich Unmengen von Gasen ihren Weg aus dem Körper des blinden Masseurs. Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie es körperlich möglich ist, in so kurzer Zeit so viel Gas im Magen zu erzeugen. Eine Stunde lang lag ich auf der Liege, mit dem Gesicht nach unten. Etwa alle dreißig Sekunden rumpelte es, woraufhin jedes Mal ein unglaublich langgezogener Rülpser folgte, der an die durchschnittliche Lautstärke eines röhrenden Kamels bei weitem übertraf und dessen Geräusch bei mir unverzüglich einen starken Würgreflex auslöste. Eine Stunde lag auf der Liege und kämpfte mit meinem Brechreiz. Ich war unfähig aufzustehen, weil der Mann mir Leid tat.

Vielleicht hätte ich diesem Mann, der durch seine Blindheit und seine sonderbare Krankheit vom Schicksal besonders hart geschlagen war, irgendwie helfen können. Vielleicht war dieses Rülpsen ja auch nur temporär. Vielleicht hätte ich mich auch überwinden können. Ich hätte mir beim nächsten Mal extra-dicke Oropax mitnehmen und während der Massage eine Traumreise zu leichtbekleideten Hula-Mädchen an Palmenstränden machen können. Die Wahrheit jedoch ist: Ich habe es nicht gemacht. Ich bin nie wieder zu diesem Masseur gegangen, weil ich mich vor ihm geekelt habe.

Und als dann mein Vater fragte, ob das nicht eine Massagepraxis gewesen sein, deren Leuchtreklame die grauen Betonwände des Treppenhausen in regelmäßigen Abständen in grünes und rotes Neonlicht tauchte, da dachte ich an die Worte „röhren“ und „Kamel“ und an meinen Brechreiz und an milchige Augen und zögerte. Aber weil mein Vater in den letzten Tagen einen Rollkoffer als Gehwagen benutzte, fortwährend die Erfindung der Klimaanlage verfluchte und der häusliche Frieden meiner Eltern ernsthaft auf dem Spiel stand, überwand ich meine inneren Widerstände und meldete meinen Vater bei dem blinden Masseur im ersten Stock an.

Die Rückenschmerzen meines Vaters schmolzen unter den Händen von Doktor Cao, wie Erbsen-Eis in praller Mittagssonne und jedes Mal wenn wir später telefonierten, fragt er mich, wie es seinem kleinen Masseur geht. Und auch Doktor Cao fragte mich oft nach dem Wohlbefinden meines Vaters. Und ich fragte mich, ob Doktor Cao, der mit seinen Händen in kürzester Zeit die Verspannungen findet, ohne dass man etwas sagen muss, jedes Mal bei meinem Rücken an den Rücken meines Vaters denkt und dadurch dessen Zukunft sehen kann. Doktor Cao und ich reden über Vieles, aber das habe ich ihn noch nie gefragt.

Doktor Cao wurde vor sechsundzwanzig Jahren in einem kleinen Ort nicht weit von Taiyuan in der Prozinz Shanxi geboren. Seine Mutter war Krankenschwester und wenn ich es richtig verstanden habe, arbeitete sein Vater in einem Steinbruch und starb bei einem Unfall als Doktor Cao sieben Jahre alt war. Er war ein normales Kind, fleißig in der Schule und gut zu seinen Eltern. Kurz nachdem sein Vater gestorben war, begannen seine Augen sich zunehemend zu verschlechtern. Kein Arzt konnte den Grund dafür herausfinden und noch vor seinem neunten Geburtstag konnte er den hellsten Sonnenschein nicht von der tiesten Nacht unterscheiden. Seine Mutter war eine starke Frau und gewohnt „Bitterkeit zu essen“. Sie kümmerte sich um ihn, kochte ihm morgens, mittags und abends etwas zu essen. Aber als sie merkte, dass ihre Kräfte nachließen, wusste sie, dass sie sich trennen mussten. In dem kleinen Ort würde Doktor Cao nicht für sich selbst sorgen können. Über eine Bekannte stellte sie einen Kontakt nach Beijing her, wo ihr Sohn an einer Schule für Masseure eine kurze Ausbildung machte. Danach fand er eine Anstellung in dieser kleinen Massagepraxis, die er so gut wie nie verlässt. Er isst, was seine Kollegen für ihn kochen und er schläft nachts auf einer der Massageliegen.

„Dao ke dao fei chang dao“, sagte Doktor Cao. „Dieser Satz sagt Vieles. Es geht um die Mitte, um das Zentrum, in dem die Ruhe liegt.“

„Die Ruhe?“, fragte ich.
„Ja. Die Ruhe. Das Nichts-Tun“, antwortete er.
„Das kann ich gut. Das ist ja nicht schwer“, warf ich ein. Ich verfügte damals noch über zu wenig Sprachkenntnisse, um eine ernsthafte Diskussion längere Zeit am Leben zu halten.
„Ja, das kannst du gut. Darum ist dein Rücken auch so krumm. Weil du dich nicht bewegst.“
„Dann haben alle Taoisten also Rückenschmerzen“, versuchte ich diesen Gedanken weiter zu entwickeln.
„Nein“, sagte Doktor Cao ruhig.
„Aber was ist denn dieses Dao nun eigentlich?“ fragte ich.
„Das ist es ja eben. Das Dao passt irgendwie nicht in die Sprache und die Worte. Nicht einmal in die chinesische. Das ist die eigentliche Bedeutung des Satzes.“

Dieses Mal sprachen wir weniger als sonst. Doktor Cao interessiert sich sehr für Sprachen und fragte mich oft nach den Worten. Er hat über das Radio etwas Englisch gelernt und ist fasziniert von fremden Klängen und seltsamen Bedeutungen. Ich hatte immer das Gefühl, dass dieser kleine, blinde Mann viel mehr von Sprache versteht, als die meisten Studenten, die beim mir studiert haben. Aber dieses Mal redeten wir wenig.

Der iMönch und das Affentheater

Yancan Fashi ist ein ganz besonderer Mönch, eine Art IMönch. Denn er hat sich zum Ziel gesetzt, die Weisheit des Buddhismus auf allen zur Verfügung stehenden Wegen zu verbreiten. Weil Weibo, die niemals ruhende Quasselmaschine, das unglaublichste aller derzeit auf diesem Planeten existierenden Medien ist, M-bloggt er. Na, was denn auch sonst? Und weil er nicht nur als Lebensberater und Seelenbeistand den Menschen Vieles zu geben hat, sondern auch noch ein lustiger Typ ist, lieben ihn die Menschen in China.

Ist das wirklich der wahre Grund, warum Yancan Fashi praktisch über Nacht zu einer Berühmtheit geworden ist, die in Fernseh-Shows auftritt? Wie kann es sein, dass er in kürzester Zeit über 2 Millionen Follower auf seinem Weibo versammelt hat? Vielleicht liegt es ja auch ein bisschen an dem folgenden Video. Nicht nur die Affenbande, die ihm zu schaffen macht, ist ein absolutes Highlight der jüngeren Weibo-Historie. Es ist vor allem sein mit ernster Miene vorgetragenes buddhistisches Gedicht über einen heiligen Berg. Denn das Komische daran ist, dass der liebe Mann sich zwar sehr viel Mühe gibt, aber am Hochchinesisch kläglich scheitert. Nicht, dass ich das beurteilen könnte, aber ich habe mir sagen lassen, dass sein breiter Hebei-Dialekt samt seiner falschen Töne unglaublich komisch klingt. Aber sehen Sie selbst!

Ein langer Kommentar zu „Hitlers chinesische Familie“

<ein Gastbeitrag von 乡下人进城 (anonym)>

Anmerkung: Der folgende Text ist eine Reaktion auf den am 27. Juni 2012 auf doppelpod.com veröffentlichten Artikel „Die Geschichte von Hitlers chinesischer Familie“. Er ist anonym auf dem Sina-Blog von 乡下人进城 (ein Landbewohner zieht in die Stadt) erschienen und der Betreiber des Blogs hat zugestimmt, dass der Text hier veröffentlicht werden kann.

Die komische Hitler-Verehrung bei manchen Chinesen hängt sicher mit fehlenden historischen Kenntnissen zusammen. Persönlich Erfahrenes spielt dabei aber ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch wenn viele meiner Landsleute Deutschland sympathisch finden, ist Deutschland von China doch weit entfernt und man hat deshalb kaum persönlichen Zugang. Was man an Deutschland erleben konnte, war lange Zeit nur das legendäre „Made in Germany“ bzw. irgendeine alte Legende darüber. Ich kann mich z.B. bis heute an einen Spruch meines Großvaters erinnern: „Deutsche sind anständige Leute. Sie zahlen gut, wenn man ordentlich arbeitet. Die Japaner aber, die sind alle Schweine!“ Er war in seinen jungen Jahren Eseltreiber und hatte sowohl Deutsche, die in der Gegend ein Kohlenrevier besessen hatten, erlebt, als auch später die Japaner, die das Kohlenwerk besetzten. Als er mir seine Ansichten erzählte, kam ich gar nicht erst darauf, diesem Schwarz-Weiß-Bild irgendetwas entgegenzusetzen. Denn ich wusste zwar vom bösen Nazi-Deutschland, doch es war für mich nichts weiter als der abstrakte Begriff „Faschismus“ und ein paar Daten, die in keiner Verbindung zu mir standen. Japan war hingegen etwas Anschauliches: das war das Massengrab, das die japanische Besatzung im Kohlenrevier hinterlassen hatte. Darin lagen Schicht über Schicht Skelete von Zwangsarbeitern. An den Überresten konnte man teilweise erkennen, auf welche Weise sie gequält getötet worden waren.

Später, als die Reform- und Öffnungspolitik sich umzusetzen begann, wurde auf die chinesisch-japanische Freundschaft geschworen und das Massengrab wurde zugeschüttet. Trotz Freundschaftspropaganda änderte sich mein Japan-Bild nicht. Im Gegenteil, die Antipathie gegen Japan wuchs, und wächst noch immer. Von Japan ist kein Willi-Brandt-Kniefall gekommen, nicht einmal eine offizielle Bitte um Entschuldigung. Unter den Japanern, die ich kennengelernt habe, sind diejenigen Ausnahmen, die etwas Genaueres über die Verbrechen der japanischen Armee in China wissen. Zugleich ist aber auch der Unmut gegen die chinesische Regierung gewachsen, denn Verbrechen gegen die Menschlichkeit muss man rechtlich aufarbeiten und man kann sie nicht einfach mit Freundschaftsbeteuerungen zudecken. Umso mehr ärgere ich mich, wie ein Japaner wie 加藤嘉一 sich in China erlaubt, in aller Öffentlichkeit Kriegsverbrechen der japanischen Armee zu verharmlosen – dafür hat er sogar Unterstützer bekommen, in China selbst!

Und das Deutschland-Bild? Es hat sich differenziert und ist vielschichtiger geworden. In Deutschland bin ich Liebhaber der deutscher Sprache und Literatur geblieben, aber das Nazi-Deutschland ist nicht mehr abstrakt. Nicht nur ehemalige KZ habe ich besichtigt, sondern auch Holocaust-Überlebende oder ihre Nachfahren habe ich kennengelernt, selbst mit Nachfahren von dieser oder jener Nazi-Größe habe ich gesprochen. Wenn man so was erfahren hat, kann man einen Hitler nicht mehr verehren, selbst wenn so manche Stellungnahmen des Zentralrats der Juden in Deutschland zu irgendeinem Anlass nerven. Wenn man dazu dann auch noch die Tagebücher von einem Victor Klemperer liest, zerplatzen so manche Legenden über die Nazi-Zeit von selbst.

Andererseits, wie Deutsche die Hitler-Verehrung in China verwunderlich finden, finde ich es genauso verwunderlich, wie wenig man in Deutschland über die japanischen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg weiß. Ich frage mich manchmal, ob die Deutschen in Japan immer noch das „Land des Lächelns“ sehen und ob sie noch immer japanische Kultur hochjubeln, wenn sie nur wüssten, wie japanische Unternehmen bzw. ihre Vorgängerunternehmen zu ihrer verbrecherischen Geschichte stehen. Noch mehr wundere ich mich, warum so demokratisch aufgeklärte Deutsche ausgerechnet einem Gottkönig und Ex-Sklavenhalter so eifrig hinterherlaufen. So scheint es mir, dass es in beiden Ländern, wenn auch unter unterschiedlichen Voraussetzungen, doch an Wissen und Informationen mangelt. In beiden Ländern gibt es z.B. kaum Informationen darüber, dass solche Zen-Meister wie Suzuki Daisetsu 铃木大拙, der nicht nur von Heidegger hochgelobt wurde, sondern auch zusammen mit Erich Fromm das einflussreiche Buch „Zen-Buddhismus und Psychoanalyse“ schrieb, sich aktiv am Shinto-Faschismus beteiligten. Nicht besser die Informationslage darüber, dass der Rassenwahn der Nazis seine Wurzel hat nicht nur im Vulgär-Darwinismus, sondern auch im Esoterik-Sumpf einer Madame Blavatsky/Theosophie und eines Rudolf Steiner/Anthroposophie, vor allem aber auch im jahrtausendlangen christlichen Antijudaismus, der durch die Reformatoren wie Martin Luther nur noch verstärkt wurde. Was wir hören, ist, der Zen-Buddhismus sei, wie der Lamaismus auch, friedliebend und gewaltfrei; der Faschismus sei Ungeist des Atheismus und die christlichen Kirchen seien Opfer dieser Gewaltherrschaft.

Es reicht nicht, lediglich zu sagen, dass so etwas mich ankotzt. Wichtig ist, dass einfache Menschen die Möglichkeiten bekommen, sich über ihre eigenen Erfahrungen auszutauschen. Persönliche Kontakte erleichtern oft den Zugang zum Wissen, und Wissen, das ist die einzige wirklich effektive Waffe gegen Dummheit und Vorurteile.

Die Geschichte von Hitlers chinesischer Familie

Die Geschichte von Hitlers chinesischer Familie beginnt mit einer Fotoserie bei Weibo. Darauf zu sehen sind junge deutsche Männer. Einigen Kommentatoren, es sind wohl meist jüngere Frauen, gefallen diese Bilder sehr. Sie schreiben:

„Ich dreh durch. Die sehen so gut aus.“ „Lecker, die Jungs!“ „Der auf dem letzten Bild, der mit den spitzen Eckzähnen, der ist so süß, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft.“

Diese Männer heißen aber nicht Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, oder Miroslav Klose. Sie tragen Name wie Karl Brommann, Maximilian Mayerli und Michael Wittmann. Sie waren hochrangige Mitglieder der deutschen Reichswehr oder der SS und sie tragen dunkle Uniformen. Dass diese Männer hauptberuflich mit Krieg und Völkermord beschäftigt waren, scheint die chinesischen Kommentatorinnen nicht allzu sehr zu stören. Oder sie wissen es einfach nicht. Kann es sein, dass der millionenfache Mord an den Juden und der Zweite Weltkrieg, also unsere urdeutschen Verbrechen an der Menschlichkeit, in ihrem Schulunterricht nicht thematisiert worden sind? Kann das sein? Das frage ich mich.

Fast alle gebildeten Chinesen wissen sehr genau Bescheid über Willi Brandts Kniefall in Warschau, weil sie diese Geste als Beispiel für das deutsche Unrechtsbewusstsein ansehen und so eine Geste noch immer von den Japanern erwarten. Aber wissen die jungen Chinesen denn gar nicht, wofür Willi Brandt dort um Vergebung gebeten hat? Wissen sie nichts von den Opfern, denen er dort seine Ehre erwies? Wissen sie nichts über das rassistische Menschenbild der Nazis und dessen Folgen? Offenbar nicht.

Denn wie erklärt man sonst die Geschichte von Hitlers chinesischer Familie? Ich habe von dieser Geschichte zum ersten Mal erfahren, als in meinem Büro das Telefon klingelte. Die Verwaltungsangestellte in meiner Universität bat mich, meinen Pass mit dem aktualisierten Visum abzuholen. Ich ging einige Schritte über den Campus und klopfte an der Tür zum Gemeinschaftsbüro des Auslandsamtes. Ein älterer Herr öffnete. Ich kenne ihn schon länger und er hat mich immer mit einer etwas sonderbaren Hochachtung behandelt. Dieser Mann sieht für einen Chinesen etwas ungewöhnlich aus. Seine Gesichtszüge sind fast europäisch und seine leicht ergrauten Haare sind nicht vollkommen schwarz sondern spielen ins bräunliche. Man könnte ihn für einen Mischling halten, ein Mischblut, wie es im Chinesischen richtig heißt und vielleicht spielt diese Tatsache eine Rolle.

Wenn ich in seinem Büro war, sah er manchmal Filme auf seinem Computer oder blätterte in Antiquitäten-Magazinen. Als ich ihn zum ersten Mal sah, erklärt er fast feierlich, dass er Deutschland und die Deutschen sehr verehre. Er bat, mich Platz zu nehmen, bot mir Tee an und gab mir Bonbons, die nach gegorener Milch schmeckten. Dann sprach er von Deutschland und den Deutschen, den deutschen Tugenden und unserer Aufrichtigkeit. Am liebsten mag er China, sagte er, aber am zweitbesten sind die Deutschen. Die Japaner, die mag er gar nicht.

Beim zweiten Mal, als ich in diesem Büro war, hob er den Daumen und sagt unverständliche Namen. Er sagte Heerman Gelin(赫尔曼•戈林) und Yuesefu Gepeier (约瑟夫•戈培尔) und er sagte auch Ensite Luomu (恩斯特•罗姆). Gelin ist der Beste. Gelin. Gelin. Kennst du Gelin? Immer wieder sagt er diesen Namen und er hob den Daumen. Seine Kollegin – die manchmal mit einer Gurken-Masken auf ihrem Schreibtischstuhl döste – schüttelte den Kopf. Sie sagte, dass ihr Kollege ein Deutschland-Fetischist sei. Ich wusste nicht genau, was das sein sollte. Und weil ich immer noch nicht verstand, was er mir mit den komischen Namen sagen wollte, ging er zu seinem Aktenschrank und holte eine Tüte hervor. In der Tüte waren DVDs und auf all diesen DVDs waren bekannte Nazi-Größen abgebildet. Eine davon zog er hervor und zeigt darauf. Gelin, Gelin, das ist der Beste, sagte er und tippte mit dem Finger auf Herrmann Göring. Herrmann Göring stand breitgrinsend in seiner weißen Sonntagsuniform neben einem Flugzeug der deutschen Luftwaffe. Göring war der Lieblingsnazi des freundlichen Chinesen aus dem Auslandamt meiner Universität.

Wenn man länger in China lebt, dann lernt man, dass es viele Chinesen gibt, die Sympathie für Hitler hegen. Man hält Hitler oft – ähnlich wie Mao Zedong – für einen Mann, der die Kraft hatte, den Lauf der Geschichte zu verändern. Diese sogenannte „großen“ Männer werden oft nicht moralisch beurteilt, sondern aufgrund ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten, ihrem Talent, die Menschen zu bewegen und zu steuern.

Ich versuche dann meist in aller Kürze zur Klärung der Sachlage beizutragen und vermittele mit einfachen Worten den deutschen Standpunkt, beziehungsweise den Standpunkt der meisten Deutschen mit einem Intelligenzquotienten, der höher ist als die Raumtemperatur. „Hitler nicht gut. Hitler, böser Mann“, sage ich dann zu den Taxifahrern und Gemüsehändlern mit nationalsozialistischer Gesinnung. So leicht lassen sich chinesische Hitler-Fans allerdings – wie offensichtlich überall auf der Welt – nicht bekehren.

Als ich zum dritten Mal im Büro dieses älteren Herrn im Auslandsbüro war, erzählte er mir dann von Hitlers chinesischer Familie. Hitler sei in seiner Wiener Zeit in einer finanziellen Notsituation gewesen und eine chinesische Familie mit dem Namen Zhang habe ihn bei sich aufgenommen und seine Studiengebühren bezahlt. Er erzählt mir, in dieser Zeit habe Hitler auch angefangen, Tee zu trinken und die Werke des Sunzi, also dessen „Kunst des Krieges“ zu studieren. Hitler sei so sehr von China so fasziniert gewesen, dass es sein Plan war, so soll es eine enge Vertraute des Führers berichtet haben, die Welt zwischen dem Volk der Chinesen und dem Volk der Deutschen aufzuteilen. Alles östlich von Pakistan, erzählte mir der freundliche Herr aus dem Auslandsamt der Universität, sollte den Chinesen unterstellt werden und alles westlich davon dem Führer. Und während er das sagte, hatte er ein Strahlen in den Augen

Ich hielt den alten Mann für vollkommen verrückt, bis ich auf einen Text aufmerksam wurde, der seit 2009 im chinesischen Internet zirkuliert und der genau diese krude Geschichte detailliert erzählt. Bei dem sozialen Netzwerk „Kaixin“ wurde die Geschichte vom sinophilen Hitler 170.000 Mal gelesen und 40.000 Mal kommentiert.

Dieser Text geistert auch heute noch durch die Mikroblogs und trägt weiterhin dazu bei, die Hitler-Figur aus ihrem historischen Kontext zu lösen und zu mythisieren. So ist das chinesische Internet eben, könnte man meinen. Alles, was irgendwie in vorhandene Denkmuster passt, verbreitet sich wie ein Virus. Und weil das nicht immer im Sinne der chinesischen Regierung ist, bemüht man sich, bisher vollkommen vergeblich, die brodelnde Gerüchteküche unter Kontrolle zu bringen. Liebe chinesische Regierung. Macht es euch doch nicht so schwer. Das Prinzip heißt Aufklärung und es beruht darauf, sich über die Dinge in dieser Welt zu informieren. So und jetzt gut zugehört: Ich zeig Euch mal, wie das funktioniert. Die Fakten:

Abgesehen davon, dass Hitler im Zweiten Weltkrieg ein Verbündeter der Japaner war und damit politisch die Mitschuld trägt an den grausamen Verbrechen am chinesischen Volk, wie dem Massaker in Nanjing, gibt es noch weitere Belege für die Unsinnigkeit der Aussage, dass Hitler eigentlich ein „Freund Chinas“ war. Als zum Beispiel der Deutsche John Rabe 1938 nach Deutschland zurückkehrte und Hitler in zahllosen und heute gut dokumentierten Briefe um Hilfe für das chinesische Volk bat und über die Gräueltaten der Japaner auf Vorträgen berichtete, als er Hitler also um Unterstützung für das chinesische Volk bat, wurde er von der Geheimpolizei verhaftet.

Unter den Opfern des Nationalsozialismus waren auch Chinesen. Mehrere hundert Chinesen, die damals in Berlin und Hamburg lebten, waren nach dem Machtantritt der Nazis ständig in Lebensgefahr. Durch die Rassenpolitik verschärfte sich ihre Situation. Viele wurden verhaftet und ausgewiesen, anderen gelang es, rechtzeitig unterzutauchen oder zu flüchten, aber für zwanzig Gefangene gab es keine Rettung und sie starben während der Zwangsarbeit.

Sicher, die Idee, dass Hitler ein stiller China-Verehrer gewesen sein soll und in seinem Memoiren über seine liebevolle asiatische Ersatzfamilie geschrieben hat, klang für mich vom ersten Moment wie ein reines Hirngespinst. Nicht zuletzt deswegen, weil die einzigen existierenden Memoiren Hitlers, die Hitler-Tagebücher, eine dreiste Fälschung waren. Aber auch die Art und Weise wie der chinesische Internet-Text geschrieben wurde, lässt vermuten, dass jemand ganz bewusst eine Lüge in die Welt gesetzt hat, aus welchen Gründen auch immer.

Ich habe mich aber nicht damit begnügt, diese These ungeprüft als Unfug abzutun, sondern ich habe mir Hitlers Buch „Mein Kampf“ besorgt, denn dieser Text ist ja das Einzige, was mit dem Wort Memoiren gemeint sein könnte. Ich hab „Mein Kampf“ nach Stichworten wie „China“, „Chinesen“ und „Sunzi“ durchsucht. China kommt nur ein einziges Mal darin vor und zwar als banales Beispiel für ein großes Land. Auch das Wort „Chinesen“ erwähnt Hitler nur ein Mal, nämlich als er seine Rassenlehre erläutert und feststellt, dass es ein vollkommener Irrtum sei, anzunehmen, dass ein Chinese, oder ein Neger (sic) durch das Erlernen der deutschen Sprache, zu einem Deutschen werden könne, weil das Deutsch-Sein eben im Blut und nicht in der Sprache sei. Hitler argumentiert in diesem Zusammenhang, dass eine Zuwanderung bzw. eine Durchmischung des deutschen Blutes langfristig dazu führen würde, dass Deutschland sich abschafft. Na, das kennen wir ja.

Über die Kriegs-Lehre des Sunzi verliert Hitler in „Mein Kampf“ kein einziges Wort. Und auch wenn die chinesischen Hitler-Fans das vielleicht nicht so toll finden: Hitlers Weltanschauung, seine rassistische Verachtung von Menschen, die kein rein-germanisches Blut in den Adern haben, ist nicht von der chinesischen Kultur beeinflusst. Das hat der sich ganz alleine ausgedacht, oder von anderen rassistischen Wirrköpfen kopiert.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den ich hier erwähnen möchte. Vor kurzem hat ein chinesischer Wissenschaftler einen Vortrag auf Deutsch gehalten, in dem er Belege dafür präsentiert hat, dass es während der Hitler-Diktatur eine Reihe von militärischen, kulturellen, aber auch menschlichen Kontakten zwischen China und Deutschland gab. Er hat Fotos, Tagebucheinträge und Dokumente präsentiert. Ich erinnere mich auch, dass er von deutsch-chinesischen Ehepaaren berichtet hat, die in dieser Zeit fast unbehelligt leben konnten. Ich zweifle kaum an der Echtheit der Dokumente, was mich bei dem Vortrag nur sehr befremdet hat, ist die Tatsache, dass der chinesische Wissenschaftler auf die historisch belegten Verbrechen des Hitler-Regimes am chinesischen Volk so gut wie nicht eingegangen ist.

Sicher macht man es sich zu leicht, wenn man ein Regime, einen Politiker, eine Epoche historisch eindeutig einordnet oder wie in diesem Fall vielleicht sogar dämonisiert. Aber man muss doch zunächst mit der Darstellung der wesentlichen Ereignisse beginnen, um dann dem Schwarz-Weiß-Bild auch die nötigen Grautöne hinzufügen zu können.

Dokumentation über die chinesische Hochschulaufnahmeprüfung „Gaokao“

<Sven Hänke>
Die landesweiten chinesischen Hochschulaufnahme-Prüfungen (Gaokao, 高考) sind gerade vorüber und die Schüler warten auf die Ergebnisse, die ihren weiteren Lebensweg maßgeblich bestimmen werden. Wer sich einen Eindruck davon verschaffen möchte, unter welchem Druck die Schüler dort um die begehrten Plätze an den guten Universitäten kämpfen und wer verstehen möchte, warum Chinesen nur milde lächeln, wenn deutsche Altersgenossen über ihren Abiturstress klagen, sehe sich doch die unten eingebette 94-minütige Dokumentation (Titel: 高三) über die Nr.1-Highschool in Wuping, Fujian an. Die Doku wurde allein bei Youku.com fast 3 Millionen Mal angesehen und gewann beim Honkong International Film Festival 2006 den ersten Preis in der Kategorie Dokumentation. Sie hat sogar Untertitel. Viel Spaß, auch wenn das etwas unangemessen klingt, bei diesem Thema! (via China Whisper)


A Bite of China – Anspruch und Wirklichkeit

<von Sven Hänke>
Da meint man jahrelang, die chinesische Regierung wird ihre Softpower-Milliarden vollkommen umsonst ausgeben und all die folkloristischen und belanglosen Publikationen und Veranstaltungen bleiben mittelfristig ähnlich erfolgreich wie die Werbeplakate der CDU in Berlin-Kreuzberg und schwupps überrascht einen das Propaganda-Ministerium mit einem Coup. Die Dokumentation „A Bite of China“ ist schon jetzt weltweit ein Publikumserfolg und weil dem so ist, zeigen wir hier auf Doppelpod den ersten Teil der optisch wirklich gelungenen Fernsehproduktion über die Wunder der chinesischen Kochkunst (leider ohne Untertitel). Ich persönlich schätze die chinesische Küche und Ernährungsphilosophie sehr, aber weil ich einen Großteil der chinesischen Nahrungsmittelproduzenten für fast noch geldgieriger und moralisch verkommener halte als deutsche Hegdefonds-Manager, ist dem Bilderrausch für die Geschmacksnerven ein weiterer Film aus dem Hause CCTV1 vorangestellt: ein Nachrichtenbeitrag über den Abfluss-Öl Skandal (地沟油). Skrupellose Lebensmittelhändler hatten über Jahre hinweg Öl, das unter anderem aus Speiseresten und Tierkadavern hergestellt wurde, als Speiseöl verkauft (das ehemalige Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat darüber übrigens mal wieder nicht berichtet). Genießen Sie mit allen Sinnen!

 



Wir alle sind nur die Kopie eines längst gelöschten Originals

Man könnte mir vorwerfen, dass der Untertitel „Gebrauchsanweisung für den erfolgreichen Kulturschock“ nicht besonders originell ist. Man könnte sogar sagen, dass er geklaut ist. Das ist etwas drastisch formuliert, aber vollkommen korrekt. Es ist geklaut und das ist auch gut so. Denn ich berufe damit auf die chinesische Shanzhai-Kultur, in der Nachahmung zur Kunstform wird und deren Protagonisten die Konzepte „Originalität“ und „Echtheit“ für belangloses Beiwerk ihrer Arbeit halten. Shanzhai, das ist auch der Gedanke, dass sich geistiges Eigentum so wenig einzäunen lässt wie wilde Pferde. Aber das ist nicht der einzige Grund für mein hier vorgetragenes Loblied auf die Kopie. Wenn man wissen möchte, welche Auswirkungen der Originalitätszwang und die Tabuisierung der Kopie zum Beispiel auf die westliche Pop-Kultur hat, dann empfehle ich einen Blick in den Kleiderschrank von Lady Gaga. Da wird dann vielleicht mancher ausrufen: „Oh, ein Fleischkleid, das ist ja mal was anderes. Sehr originell und kreativ.“ Und falsch ist das nicht, denn ein Fleischkleid gab er vor Lady Gaga noch nicht.

 

Innovation und Kreativität stehen in der westlichen Kultur derzeit im Allgemeinen sehr hoch im Kurs. Die Kopie wird hingegen verachtet. Sie erscheint uns wertlos. Aber ist nicht die Kopie, die Nachahmung des Guten und des Erfolgreichen der Kern einer jeden kulturellen Veränderung? Picasso sagte: „Gute Künstler kopieren, großartige Künstler klauen.“ Und Goethe. Als der seinen Faust schrieb, da war diese Geschichte über den zum Okkulten neigenden Wissenschaftler längst ein alter Hut. Ein sogenanntes Volksbuch von Johann Spies war schon im sechzehnten Jahrhundert ein großer Erfolg. Dieses Buch war so beliebt, dass es davon eine ganze Reihe von nicht-autorisierten Nachdrucke gab. Heute würde man wohl Raubkopien dazu sagen.

Und Goethe selbst, war der jetzt ein Raubkopierer? Im Grunde schon. Denn Goethes Faust war nicht einmal das erste Theaterstück zu diesem Stoff. Das schrieb der Engländer Christopher Marlowe etwas mehr als zweihundert Jahre zuvor. Goethe, der Inbegriff des deutschen Ur-Genies, sozusagen der Ur-Urheber, war noch nicht einmal der Erste, dem Ganzen im Kontext der Aufklärung eine neue Bedeutung verlieh. Das was Lessing.

Goethes Faust ist also in erster Linie eine Adaption, eine Kopie, ein Mash-Up. Ein weiteres Beispiel ist der Buchdruck. Die Rechte an dem Gerät, das maschinelles Kopieren von Texten überhaupt erst ermöglicht hat, würden heute vielleicht vor einem Patent-Gericht verhandelt werden. Denn als damals Johannes Gutenberg das Drucksystem entwickelte, waren bereits über vierhundert Jahre vergangen, seit der Chinese Bi Sheng bewegliche Letter erfand. Und so ist es bei den meisten genialen Schöpfungen der Menschheitsgeschichte. Sie sind Adaptionen, Kopien, Mash-Ups – bis heute. Das erste soziale Netzwerk der Welt hieß nicht Facebook. Es trug den schönen Namen 5460 und wurde in China programmiert. Und auch die erste Video-Plattform war nicht YouTube.

Seit ich meine Ansichten über China, Deutschland und die Welt, zu Papier, oder vielleicht besser gesagt, zu Pixel bringe, mache ich mir auch Gedanken darüber, in welcher Form. Ich könnte ja vielleicht ein Buch schreiben, um damit mein Taschengeld ein wenig aufzubessern. Ein wenig gegrillter Hund, Konkubinen, kleine Kaiser und Panikmache vor der kommunistischen Weltherrschaft – und fertig ist der deutsche China-Bestseller.

Aber gedruckte Bücher, diese Lieblingsdekorationen deutscher Wohnzimmer, haben einen großen Nachteil. Das Kopieren ist aufwändig und teuer. Und noch etwas ist mir dann eingefallen: Warum sollte ich für Geld schreiben? Ich habe doch so viel China-Kompetenz und da gibt es derzeit viel bessere Möglichkeiten, Geld zu verdienen, als mit dem Schreiben von Büchern: Ich könnte zu Beispiel mit Plastikschrott handeln. Oder ich könnte Autofirmen helfen, noch mehr Fabriken zu bauen, in denen benzinfressende Luxuskarossen für die Zweitfrauen von korrupten Beamte produziert werden und die Arbeiter zum Hungerlohn für die Yachten der Aktionäre schuften. Es gibt es doch noch so viel zu tun für China-Kenneren? Warum sollte man da überhaupt jemand Bücher schreiben? Das lohnt sich doch kaum noch.

Es wäre aber schon schön, wenn das hier jemand liest oder hört. Ich geb mir ja Mühe. Ich wollte daher zunächst wissen, welche Aspekte die Deutschen beim Thema China besonders interessieren. Und ich hätte fast McKinsey angeheuert, das Potenzial zu evaluieren. Das war mir aber doch zu teuer. Deswegen habe ich dann einfach bei Amazon nachgesehen, welche Bücher besonders oft gekauft werden.

Relativ schnell hat sich herausgestellt, dass die Deutschen besonders gerne Ratgeber und „Gebrauchsanweisungen“ kaufen – für die schnelle Orientierung im richtigen Umgang mit der neuen Supermacht. Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Worte „Schock“, und „erfolgreich“ bei fast jedem zweiten Buch auftauchen.

Das, was die Deutschen über China wissen wollen, findet also hauptsächlich im semantischen Feld dieser drei Worte statt. Zunächst einmal ist da der Schock: „Hilfe, die Chinesen erobern den Planeten. Und die sind ja so anders. Ahh. Hilfe.“ Dann kauft man sich ein Buch von einem Chinakenneren, einen Ratgeber, eine Gebrauchsanweisung, in der die Dinge stehen, die man wissen muss, um mit dem Problem angemessen umzugehen. Und am Ende steht dann der „Erfolg“ und alles ist wieder gut.

Diese Methode erinnert an das Buch „Den Himmel gibt’s echt“. Das ist ein Buch über die Nahtoderfahrung eines Vierjährigen und in einer Rezension hieß es, es könne „Eltern und vor allem Kindern helfen, besser mit dem schwierigen Thema Tod umzugehen.“ Das klingt, als wäre der Tod therapierbar, oder als ob er mit der richtigen Gebrauchsanleitung zum Kinderspiel wird. So in der Richtung: „Sterben für Dummys – Alles was sie wissen müssen“. Und so ist es offenbar auch beim Thema China. Viele Leute glauben, dass China sich schon irgendwie zurecht-erklären und in ein eindimensionales und manchmal auch dekadentes Weltbild integrieren lässt. Einige Menschen haben die Hoffnung, dass die Globalisierung nach dem McDonalds-Prinzip funktioniert und für uns im Westen im Grunde alles beim Alten bleibt. So wird es aber wahrscheinlich nicht kommen. Denn die Chinesen kopieren vor allem unsere intellektuelle Open-Source-Software und viele dieser Kopien übertreffen schon heute das Original.

Wenn in China ein Geschäft eröffnet wird und erfolgreich ist, dann dauert es meist nur wenige Monate, bis direkt daneben ein Laden aufmacht, der den Erfolg bis ins Detail kopiert, und nicht nur einer. Ich kenne in Peking ganze Straßen, die bestehen nur noch aus Geschäften für Musikinstrumente oder Schreibutensilien oder sonst etwas. Und keiner stört sich daran.

Im Internet gibt es keine Straßen. Da gibt es Suchmaschinen und da muss man sich seine Nachbarschaft nach Wortverwandtschaften aussuchen, um gefunden zu werden. Wenn ich mich also begrifflich mit einigen fremden Federn schmücke, dann aber nur mit denen, die ich auf der Straße gefunden habe und denen, die man ohnehin nicht weiter verfolgen kann, als bis in ein digitales Creative-Commons-Universum, in dem wir alle nicht mehr und nicht weniger sind, als die fehlerhafte Kopie eines längst gelöschten Originals.

Meine acht Glücks-Tipps zum Chinesisch-Lernen

Wir sollten der Wahrheit ins Auge blicken. Uns Deutschen fehlen sprachkundige Vermittler. Chinas wirtschaftlicher Aufschwung wird zwar begleitet von einer medialen Aufmerksamkeit sondergleichen. Die deutsche Industrie befindet sich in weiten Teilen gar in einem nahezu entrückten Zustand, einem wahren China-Rausch. Sprachlich und kulturell jedoch hat sich bisher kaum etwas bewegt. Die Chinesen sind heute mit Abstand die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland. Die Zahl der deutschen Studenten, die in China eine Universität besuchen, steigt zwar, aber die Aufenthalte sind meist relativ kurz und die Studenten sind so gut wie nie ins reguläre Studium integriert.

 

Aber nicht nur die Studentenzahlen sprechen eine eindeutige Sprache der Sprachlosigkeit. Das Sprachdefizit ist vielerorts spürbar. Viele Journalisten, die sich professionell mit China beschäftigen, können keine chinesischsprachige Tageszeitung lesen, geschweige denn einer Internetdiskussion folgen. Auch der weitaus größte Teil der Entsandten, die bei Siemens, VW oder der deutschen Botschaft arbeiten, kommt in fünf und mehr Jahren über das Anfängerniveau nicht hinaus. Und auch nicht alle Sinologen sind nach dem Studium in der Lage, sich in China auch zu komplexeren Themen verständlich zu äußern.

Natürlich hat das vielfältige Gründe. Man hat viel zu lange an einer Orchideen-Sinologie festgehalten hat, die Langzeichen, Tang-Gedichte und Konfuzius-Interpretationen wichtiger fand als modernen, kommunikativen Sprachunterricht. „Chinesisch als Frendsprache“ ist eine Disziplin, die noch immer in den Kinderschuhen steckt – in Deutschland und auch in China selbst. China ist im Bereich Didaktik in weiten Teilen ein Entwicklungsland und nur langsam werden moderne linguistische Erkenntnisse für den Sprachunterricht nutzbar gemacht. Wer einmal einen Sprachkurs an einer chinesischen Universität besucht hat, wird mir wahrscheinlich zustimmen, dass die didaktische Methodik oft dem Lateinunterricht in den 50er-Jahren ähnelt. Ein weiteres großes Problem sind kulturelle Barrieren, die die Integration in die chinesische Gesellschaft und den persönlichen Kontakt mit Chinesen erschweren können. Der wichtigste Grund liegt jedoch auf der Hand: Chinesisch ist verdammt schwer.

Chinesisch zu lernen kostet eine Menge Zeit und man muss bereit sein, einige Mühen auf sich zu nehmen. Sprachlernsysteme wie „Rosetta Stone“ mögen suggerieren, dass man jede Sprache auf ganz natürliche Weise lernen kann, aber das Zeichen-Pauken wird auch Frau Stone einem Lernenden nicht abnehmen können. Sicherlich sollte man mit Spaß bei der Sache sein, aber die typischen Schwierigkeiten bei der Beherrschung von Zeichen und Tönen überwindet man unter anderem durch relativ passives, tausendfaches Wiederholen. Die Anwendungsbedingungen dieser Zeichen hingegen erschließen sich effizient oft erst in konkreten kommunkiativen Situationen.

Ich habe vor einiger Zeit den neu-konzipierten HSK-Test der Stufe 5 mit 249 von 300 Punkten (Hörverständnis 99 von 100) bestanden. Das macht mich sicher noch nicht zu einem zweiten Da Shan, aber es ist immerhin die zweithöchste Stufe dieses landesweiten, staatlichen Tests, der ansatzweise mit dem amerikanischen TOEFL und dem deutschen TestDaf vergleichbar ist. Weil acht bekanntlich die chinesische Glückszahl ist, hier nun meine acht hoffentlich glücks- und erfolgsbringenden Tipps für den Lernerfolg:

1. Tipp
Beschäftigen Sie sich von Anfang an intensiv mit den Zeichen. Ich halte den Weg, den einige renommierte deutsche Lehrinstitute gehen, Chinesisch anfangs auf der Grundlage von Pinyin zu lernen, für eine Abkürzung, die sehr schnell in einer Sackgasse enden kann. Chinesisch beruht auf Zeichen, Chinesen denken in Zeichen und Pinyin ist nur ein Hilfsmittel. Wenn Sie Chinesisch nicht nur für den Urlaubsgebrauch lernen wollen, müssen Sie die Zeichen lernen. Je früher, desto besser.

2. Tipp
Versuchen Sie die Grundlagen der Zusammensetzung der Zeichen zu verstehen. Machen Sie sich damit vertraut, wie diese komischen Dinger funktionieren. Lernen Sie die Radikale und die Strichreihenfolge. Sehr gute geeignet für Anfäger ist dieses Lehrwerk. Der grundlegende Zeichenaufbau wird sehr gut erklärt und zudem gehört die phonetische Einführung zu dem Besten, was mir bisher begegnet ist: „Chinesisch multimedial. Der CD-ROM-Sprachkurs für Einsteiger

3. Tipp
Schreiben Sie die Zeichen. Ganze Texte aber vor allem auch einzelne Zeichen. Immer wieder. Durch die Bewegungen der Hand verinnerlichen Sie die Konstruktion des Zeichens. Achten Sie mal darauf, wie oft Chinesen in der Luft oder auf dem Tisch mit dem Finger Zeichen malen, um sich diese zu vergegenwärtigen. Auch Chinesen lernen die Zeichen vor allem durch Wiederholung. Das Ergebnis vielfach wiederholten Schreibens ist, dass nicht nur der visuelle Eindruck, sondern auch die motorischen Abläufe der Hand gespeichert werden und das Zeichen besser memoriert wird.

4. Tipp
Nutzen Sie moderne Technik. Wenn Sie die Komposition der Zeichen und die Strichreihenfolge verstanden haben, besorgen Sie sich ein Handy mit Strich- oder Handschriften-Eingabe. Früher war es durch die komplizierte Methodik, ein Zeichen in einem herkömmlichen Wörterbuch nachzuschlagen, unglaublich zeitaufwändig, ein unbekanntes Zeichen zu identifizieren und zu übersetzen. Heute machen einem IPhone und Konsorten das Leben deutlich leichter. Mein persönlicher Geheimtipp: Lernen Sie Wubihua. Mit dieser selbst unter Chinesen eher ungebräuchliche Eingabemethode finde ich jedes noch so komplizierte Zeichen in weniger als zehn Sekunden. Ein weiteres nahezu unverzichtbares Tool ist Wenlin. Diese Software erlaubt es, ganze Texte dort hineinzukopieren und die Übersetzung der Zeichen und Zeichenkombinationen ins Englische nur durch das Herüberfahren mit der Maus anzuzeigen. Über ähnliche Funktionen verfügen zwar inzwischen auch einige Smartphone-Apps, aber Wenlin ist in Bezug auf Umfang und Genauigkeit des Wortschatzes unschlagbar. Selbst Chinesen staunen darüber, wie viele seltene Chengyu (idiomatische 4-Wort-Redewendungen) Wenlin erkennt und korrekt übersetzt. Faszinierend ist allerdings auch die Chinesisch-App von Pleco. Das geht schon ein wenig in Richtung „Raumschiff Enterprise“

5. Tipp
Machen Sie viele Hörübungen. Hörverständnis ist der entscheidende Schlüssel zur Sprache. Nutzen Sie das Internet und die vielfältigen Möglichkeiten, sich durch natürlichsprachige Dialoge mit den fremden Klängen vertraut zu machen. Auf Deutsch gibt es solche Angebote meines Wissens bisher nicht, aber im englischsprachigen Bereich wird man schnell fündig. Chinesepod.com ist der ungeschlagene Champion. Leider sind die meisten Dialoge seit einigen Jahren kostenpflichtig, aber vielleicht finden Sie ja jemanden, der ältere Folgen heruntergeladen hat, als sie noch kostenlos waren. Es gibt inzwischen weit über tausend Chinesepod-Dialoge für alle Lernerstufen. Mit Popupchinese.com hat sich ein ehemaliges Mitglied von Chinesepod selbsständig gemacht und füllt die Lücke, die Chinesepod auf dem No-Budget-Markt hinterlassen hat. Ich persönlich ziehe das Original mit der zauberhaften Jenny Zhu weiterhin vor. Ah, diese Stimme!

6. Tipp
Sprechen Sie. Sprechen Sie die Dialoge nach. Werden Sie ein Papagei! Suchen Sie sich einen chinesischen Tandempartner und quatschen Sie drauf los, was das Zeug hält. Aus Fehlern wird man klug und die lustigsten und peinlichsten Pannen vergisst man nie. Auch ich habe anfangs geglaubt, dass die Töne nicht immer so wichtig sind. Heute weiß ich, dass gerade die richtigen Töne für das Verständnis grundlegend sind. Üben Sie daher die Töne. Und gerade wenn man richtig daneben liegt, ist der Lerneffekt am größten. Ich werde wohl nie mehr vergessen, dass man das chinesische Wort für Hase im vierten Ton ausspricht. Gleich in der ersten Woche wollte ich mein Gegenüber informieren, welchem chinesischen Tierkreiszeichen ich angehöre. Wegen meiner falschen Töne sagte ich: „Ich bin ein Glatzkopf“. Das Lachen klingt noch heute in meinen Ohren.

Wir amüsieren uns uns oft über das urkomische „Chinglish“ oder das „Deunesisch“ der Chinesen. Aber diese Lernersprache ist der Weg zum Erfolg. Es mag einem erfolgreichen und angesehenen Manager nicht gefallen, plötzlich zu klingen, wie ein Dreijähriger, der sich mit seinem Freund in der Sandkiste unterhält. Aber es ist unvermeidlich und der einzige Weg.

7. Tipp
Machen Sie das, was Ihnen Spaß macht. Jeder hat andere Interessen. Finden Sie Ihren eigenen Weg zur Sprache. Jemand, der gern Popmusik hört, sollte sich mit den Texten der chinesischen Bands beschäftigen. Filme, Kalligraphie, Tee, chinesische Neujahrsbilder, egal was es ist – versuchen Sie ihre Interessen mit der Sprache zu kombinieren. Ich selbst lese seit ganz gern Comics. Seit einiger Zeit lese ich Tim & Struppi allerdings nur noch auf Chinesisch.

8. Tipp
An einem längeren China-Aufenthalt oder einem strukturierten Sprachkurs führt eigentlich kaum ein Weg vorbei. Wer es sich leisten kann, sollte Privatstunden nehmen, aber auch im Klassenverband macht man schneller Fortschritte als im stillen Kämmerlein. In China gibt es viele Sprachschulen, die guten Gruppen-Unterricht teilweise schon für 50 RMB in der Stunde anbieten. Es muss also nicht einmal teuer sein.

Chen Guangcheng richtet sich per Youtube an Wen Jiabao

„I am extremely anxious, and I require netizens’ more attention on my family’s security.“

Der blinde Rechtsanwalt Chen Guangcheng, der sich als sogenannter „Barfuß-Anwalt“ unter anderem für die Rechte der Behinderten, für Bürgerbegehren und gegen erzwungene Abtreibungen eingesetzt hatte, ist laut Medienangaben aus dem polizeilichen Hausarrest geflohen.

Zuvor war Chen Guangcheng zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen „Mutwilliger Zerstörung von Eigentum und Verkehrsbehinderung“ verurteilt worden, die er von 2006 bis 2010 absaß.

In einem Video, das zu Youtube hochgeladen wurde, richtet Chen Guangcheng, dessen derzeitiger Aufenthaltsort nicht sicher ist, eine Videobotschaft direkt an Wen Jiabao. Darin erhebt er schwere Vorwürfe gegen chinesische Behörden. Er legt ausführlich und unter Nennung der Namen der beschuldigten Personen dar, dass er und seine Familie von Behördenmitarbeitern misshandelt wurden. Er fordert eine rechtmäßige Untersuchung der Gewalt gegen ihn und seine Familie, den Schutz seiner Verwandten und die Untersuchung der Rolle der Korruption in diesem Fall. (Quelle: shanghaiist.com)

Das Video in voller Länge

Die von Shanghaiist veröffentlichte ins Englische übersetzte, schriftliche Fassung des Videos:

Dear Premier Wen:

It was so hard for me to escape. All those rumors online and the accusations against Lin Yi’s violence on me, now I am here to prove that everything was true. And the fact can be only more terrible than what’s circulating online.

Premier Wen, I now formally make the following 3 proposals

1. SEVERELY PUNISH CRIMINALS IN ACCORDANCE WITH LAW:

Firstly, on my issue, you should inquire the matter yourself and dispatch investigative groups for thorough investigation and truth. Some 70 to 80 officials, none of whom were wearing uniforms, beat my family without any legal approvals and forbid my family from seeking medical assistance despite injuries.

You should initiate a thorough investigation on who issued the order and deal with it according to law to law since it was so inhumane and tainted our Party’s image. They invaded our home. More than a dozen men covered my wife’s face with quilt and beat her for several hours. To me, they did the same.

Zhang Jian… we know a lot of people from in the county police, He Yong, Zhang Shengdong, like Li Xianli, who beat my wife serveral times, Li Xianqiang, Gao Xinjian and a man surnamed Xue should be taken seriously. As the one who experienced this, I make the following accusations on these people:

They intruded my house and beat me. During that period, for example, Zhang Jian, the deputy county party chief in charge of law enforcement, boasted that they could defy the law and regulations and could do anything without legal procedures.

They robbed my house and beat my family multiple times. Li Xianli, leading some 20 men, imposed illegal dention on me for a long time. He was the leader of the 1st team [which was in charge of my detention], and beat my wife. Once he chased my wife, pulled her off the cart and beat her. He also beat my mother. He was extremely vicious.

Li Xianqiang, he knocked my wife down to the ground on 18th last year. He is said to be the a clerck or chief of our county’s judicial office. He hurt my wife’s left arm severly.

At the gate of my village, the one who beat Bale, in my knowlege was Zhang Shenhe, a government clerk, or the „army uniform“ called by netizens. He hurled stones to CNN last Feburary. I am sure with no mistake.

I have also learnt some netizens were beaten by female guards. I did not know any female guard was hired. I now know that most of these female mobs are directors of womens‘ offices of different villages, and some were village chiefs’relatives.

Gao Xinjian and other unknown people, whom I know were from the police, although they didn’t wear any uniforms or have any legal procedures, dared to say „We are not police now, and we are assigned by and work for the Party.“

I don’t believe so. They at most worked for an illegal official within the Party.

According to various information sources, besides 8 officials from township or the village in every team, each team also hire some 20 people at least. There are 3 teams and there are in total 70-80 people.
When last year netizens were paying attention to me, they hired hundres of people at peak. They totally blocked our village. Generally, they regarded our house as centre. Then they deployed a team in our house, and another outside our house. The team outside were deployed on the four corners of my house and nearby roads. Then, they deployed people in all roads from my house until the village border, and in some even situations, they deployed people in the near-by village.

On the bridge of a nearby village, there were 7-8 people sitting. Then these illegal officials abused their power and ordered nearby villages‘ officials to join them. They also hired cars to patrol, reaching as far as 5 kilometers out of my village or even more.

They deployed 7-8 layers of tight guard like this and numbered every road into the village. They numbered as many as 28 so they could better allocate their duties. Such was done to the whole village.
They deployed guards everywhere and regarded anyone as their enemy.
To my knowledge, around 90 to 100 county police, armed police and government officials from the county and township joined the crackdown against me. They have persecuted me illegall this way for several times, and I demand a thorough investigation on him.

2 SAFEGUARD FAMILY MEMBERS’S SAFETY ACCORDING TO LAW

Although I am free, my worries come as well. Because my family, mother, wife and son are still under their hands. They have been persecuted for long and may be suffering even more due to authorities‘ revenge, which may be even more outrageous.

My wife’s orbital bone was also broken, you could feel it. Her waist was beaten at home, with her faces covered by a quilt. Now, you could stil feel obvious protuberance on her 5th lumbar vertebra and her sacrum. Her 10, 12th ribs also had feelable protuberance. Maybe there was a misdiagnose as well. And after the injury, she was inhumanely forbidden to seek medical help.

My old mother was seized by the arm and pushed to the ground by a party member on her birthday. Her faces faced the sky, and her head struck the door of the east room. She burst into tears. She accused that the beaters could beat her simply because they were young. They shamelessly replied, „we are young and we could beat you, but you simply couldn’t defeat us!“

How shameless, how inhumane, and how sinful!

Also my son who is still under 10 years old. He was followed by 3 every day and searched through all over with every page of his book checked. He was forbidden to move at school and, when he returned home, he was confined to the house and never allowed to step out of the gate.
My whole family’s situation has been cut off electricty since last year’s Jul 29, and it was not restored until December 14. Since last February, my mother has been forbidden from buyinig vegetables outside, making my family in extreme difficulty.

I am extremely anxious, and I require netizens‘ more attention on my family’s security. I also require Chinese government to ensure my family’s safety for the sake of the dignity of law and people’s benefits. Otherwise, their safety has no guarantee. If there is anything wrong with my family, I will keep on fighting.

3 PUNISH CORRUPTION ACCORDING TO LAW

Some may ask why this matter cannot be resolved even though it has lasted for several years? Now, I tell you, local decision makers or executive officials never want to resolve this issue.

Decision makers are afraid their crime to be exposed so they don’t want it to be resolved. To executive officials, there is a lot of corruption.
When they were persecuting me last August in a Cultural Revolution style, they said, „you say in the video that we spent over 30 millions? Don’t you know that it was the number in 2008, and now we had spent even more than two 30 millions? You know that? And we don’t include the money used to briber officials in Beijing. If you are capable, keep on saying. “

Some others say, „What tiny amount of money we have! The largest parts have been taken by others already!“

It is a good chance for them to make a wealth. As for as I am concerned, the village spent 100 per person for teams to hire people. However, team leaders hire each person 90 yuan per day and keep the rest 10 to himself.

The daily wage in my place is only around 50 to 60 yuan and working here does not require much labor and is paid better with all three meals free. So men that are hired are very willing to work.

Each team leader hires some 20 people, and they can earn more than 200 a day. What a corruption.

Also, I learnt that in my dention, those who are with my wife plant vegetables in my family’s land and they eat their own vegetables. They grow and sell their vegetables and earn profits. People all know it, but nothing has been done with them.

I learnt that „stability maintainance fund“ could be allocated in millions at one time from the county level to the village and township, and officials say they didn’t get much and that the largest share has been taken by others.

So, clearly, there is serious corruption and abuse of money and power.
I want Premiere Wen to start investigation and punishment. We taxpayers’money shall not be used to abuse others and ruin the image of our Party.

When they are all doing such things that cannot be known by others, everything is in the name of the Party.

Premier Wen, all these illegal activities could not be understood by many. They don’t know whether it is the abusive behavior of local officials or directed by the cetral government.

I think you should give a clear answer to people soon. If we conduct a thorough investigation and tell the truth to the public, the benefits are obvious. But if you continue to neglect this, then what will people think?