Rezension: Die Langnasen – Was die Chinesen über uns Deutsche denken

Vor einer Weile erwähnte ich das Buch „Die Langnasen: Was die Chinesen über uns Deutsche denken“ in einem Erstsemesterseminar für chinesische Germanistikstudenten. Ich sagte, dass es ein gutes Buch sei, geschrieben von Autoren, die sich sehr für die Verständigung von Deutschland und China einsetzen. Ich fuhr fort, dass es von einem chinesisch-stämmigen Sinologieprofessor und seiner deutschen Frau, die als Dolmetscherin arbeitet, geschrieben wurde. Eine junge Studentin fragte mich daraufhin sehr aufgeregt, ob ich mit diesem Professor vielleicht Yu-Chien Kuan (关愚谦) meine. Als ich es bejahte, da purzelten die Sätze der Begeisterung nur so aus ihr heraus. Sie hatte gerade die chinesische Ausgabe „浪: 一个“叛国者”的人生传奇“ seiner Autobiografie „Mein Leben unter zwei Himmeln“ und zwei weitere Bücher von ihm gelesen und war zutiefst beeindruckt von seinen kulturübergreifenden Ansichten und seiner dramatischen Lebensgeschichte.

Leider gibt es derzeit noch keine chinesisch-sprachige Ausgabe des Buches „Die Langnasen“, das 2009 in Deutschland beim Fischer-Verlag erschienen ist und das in gewisser Weise an das vorherige Buch der beiden Autoren „Der China-Knigge: Eine Gebrauchsanweisung für das Reich der Mitte“ anknüpft. Der China-Knigge ist eines der gelungeneren Exemplare einer ganzen Reihe von Büchern, die durch sachkundige und übersichtliche Aufbereitung von kulturellem Basiswissen dem Leser eine erste Orientierung zum Thema China geben sollen.

Das hier besprochen Buch dreht den Spieß nun einmal um. Das Buch handelt davon – wie ja auch der Titel schon zu erkennen gibt – wie die Deutschen in China wahrgenommen werden. Das von Deutschen in China gern selbstironisch verwendete Wort „Langnase“ leitet sich von einem chinesischen Ausdruck ab: „da bize“ (大鼻子) heißt wörtlich „große Nase“ und wird für Menschen weißer Hautfarbe verwendet. Wie man auch in China vernommen hat, leben einige dieser exotisch aussehenden Menschen in einem fernen Land, das man als „deguo“ (德国) bezeichnet. Das ist insofern eine schmeichelhafte Bezeichnung, als das man dieses Wort auch als „Land der Tugend“ übersetzen könnte. Auch wenn der Titel des Buches den amüsanten Aspekt dieses Themas in den Vordergrund stellt, stellen die Autoren gleich zu Beginn des Buches klar, dass sie auch ein ernstes Anliegen haben. Sie konstatieren, dass das Bild, das Chinesen sich von den Deutschen machen, sich in den letzten Jahren deutlich verändert hat. Sie schreiben, dass viele Menschen in China enttäuscht und vor den Kopf gestoßen sind, dass ihnen insbesondere aus Europa oft hämische Kritik entgegenschlägt und Chinas Weg in die Moderne mit sehr viel Misstrauen begleitet wird. (S.11)

Deutschland ist dabei, einen seiner größten Freunde und Bewunderer in Asien zu verlieren. China scheint sich langsam von Deutschland und Europa ab- und einem anderen Partner zuzuwenden, der seit Jahren sein Wunschpartner ist, den USA. (…) Hat Amerika Angst vor diesen Menschen, vor diesem – wie es deutsche Journalisten ausdrücken – „Spitzel-Heer“, das Ländern wie Deutschland das Know-how stiehlt? Wohl kaum. (…) Schade für Deutschland, einen solchen Partner ohne Not zu verlieren.“ (S.11)

Um die Frage zu beantworten, was Chinesen über Deutsche denken, haben Kuan/Häring-Kuan den Weg einer möglichst breit-gefächerten Abbildung der Ansichten von Chinesen über die Deutschen gewählt. In einer sehr kurzweiligen Darstellungsweise, in der anonymisierte Statements von Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen zu Wort kommen, ist Chinesen die Gelegenheit gegeben, ihre Eindrücke von den Deutschen mitzuteilen. Ergänzt werden diese oft sehr persönlichen Erfahrungen durch historisches und politisches Hintergrundwissen zum deutsch-chinesischen Verhältnis. Man erfährt etwas über die ersten Deutschen im China der jüngeren Geschichte, wie z.B. den deutschen Missionar Richard Wilhelm (1873-1930), der der Meinung war, dass in China nichts die Herzen so öffnet wie die aufrichtige Absicht einer gegenseitigen Verständigung und der zu seiner eigentlichen Aufgabe, der Missionstätigkeit die folgende Einstellung entwickelte:

Es ist mir ein Trost, dass ich als Missionar keinen Chinesen bekehrt habe. (S.47)

Aber auch viele negative Geschichten wie die über Deutschlands imperialistische Bestrebungen im Reich der Mitte und die chinesischen Opfer des Nationalsozialismus sind im Buch näher beschrieben. Die Autoren haben verzichtet, die kolportierten Aussagen zu sehr zu interpretieren und zu verallgemeinern. Die Vielstimmigkeit ist das Leitmotiv ihres Buches und daher wundert es auch nicht, dass sich sehr viele Aussagen über Deutschland vollkommen widersprechen. Die Chinesen, die zu Wort kommen, sind begeistert von der guten Luft und den schönen Landschaften in Deutschland. Sie bewundern und lieben an den Deutschen so unterschiedliche Eigenschaften wie ihre Gründlichkeit, ihre Naturverbundenheit und ihre Hilfsbereitschaft. Sie staunen über ihre Reinlichkeit und Präzision. Sie amüsieren sich über ihre Sturheit und ihre seltsame Disziplin, die sie zwingt, auch an einer roten Ampel stehen zu bleiben, wenn gar kein Auto kommt. Sie machen sich lustig über die seltsame Angewohnheit der Deutschen, den ganzen Tag ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zu machen um dann am Abend beim Glas Bier außer Rand und Band zu geraten.

Viele, viele unterschiedliche Stimme kommen zu Wort – positive wie negative. Bei zwei Themen ist man sich allerdings in diesem Buch ziemlich einig: Das deutsche Essen schmeckt zum großen Teil fürchterlich und die Deutschen haben eine sehr seltsame Vorstellung davon, wie die Welt in China aussieht.

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Petra Häring-Kuan und Yu-Chien Kuan: Die Langnasen: Mit einem Geleitwort von Helmut Schmidt: Was die Chinesen über uns Deutsche denken, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 2009